Kosmo-Vision

 

 

Wieder eine Rechenschaft

 

 

 

 

 

20.03.2013 bis 16.04.2014

in zeitlicher Reihenfolge

 

 

Konrad Rapprich

 

 

 

Internetseite :  www.konrad-rapprich.de

Titelseite : Stefan Rapprich


 

Inhaltsverzeichnis

 

Lesefrüchte. 6

Mein Tod. 19

Grammatik. 20

Exorzismus. 21

Das Visum.. 22

Dämmerung  I 23

Dämmerung  II 24

Gewißheit 25

Treibjagd. 26

Universalität 27

Nescimus. 28

Verschleiß. 29

Umzüge. 30

Buchung. 31

Pub. 32

Jüngste Tage. 33

Westendplatz. 34

Oechsle. 35

Unschuld. 36

Alexander 37

Speliologie. 38

Kreislauf 39

Cosmo-Vision. 40

Der Sprach-Baum.. 41

Der Name. 42

Bestattung. 43

Hagebutte. 44

Erhellung. 45

Avantgarde. 46

Der Fragebogen. 47

Messel 48

Signale. 49

Girovago. 50

Die Baustelle. 51

Worte. 52

Fluten. 53

Fische. 54

Austern. 55

Botschaften. 56

Wasser-Musik. 57

Lebenskreis. 58

Bewegung. 59

Trotamora. 60

Das Zeit-Konto. 61

Horticultura olympica. 62

Zeit-Struktur 63

Der Maulwurf 64

Nacht-Gespräch. 65

Edelweiß. 66

Evangelisten. 67

Vertrauen. 68

Steine. 69

Die Wolke. 70

Trilogie vom  GLÜCK.. 71

Glücks – Momente. 71

Glücks-Zeichen. 72

Glücks-Mauer 73

Wahrnehmung. 74

Divinisation. 75

Gelungen?. 76

Wort-Brot 77

Ein Geheimnis. 78

Eklipse. 79

4.Gebot 80

Überleben. 81

Die Mauer 82

Tiefsee. 83

Sokratisch. 84

Fahrplan. 85

Kammern. 86

Winde. 87

Entmythisierung. 88

Metamorphose. 89

Authentifizierung. 90

Die Überfahrt 91

Nackt 92

Delphi 93

Die Tafel 94

Kastanie. 95

Kerberos. 96

Die Akte. 97

Das Model 98

Die Übersetzung. 99

Kehraus. 100

Der Nullpunkt 101

Sisyphos. 102

Ignoranz. 103

Berufung. 104

Matrjuschka. 105

Winter-Schlaf 106

Pfadfinder 107

Das Erbe. 108

Der Beicht-Vater 109

Die Ursuppe. 110

Der Zeuge. 111

Ortlosigkeit 112

Die Goldwaage. 113

Menetekel 114

Gefühle. 115

Instrumente. 116

Hochzeit 117

Login. 118

Wasser 119

Pont d´Avignon. 120

Das Billet 121

Die Gebrauchs-Anweisung. 122

Der Verwalter 123

Die Halbinsel 124

Die Machete. 125

Das Selbstporträt 126

Der Innen-Raum.. 127

Rein-Waschung. 128

Der Fiedler 129

Der Vormund. 130

Pfaffia. 131

Erinnerung. 132

Der Pflüger 133

Die Addition. 134

Hundeleben. 135

Die Frage. 136

Séance. 137

Ur-Licht 138

 


 

Lesefrüchte

 

I.Poesie/Literatur

 

Amour est poésie.

(Alain: Propos S.77)

 

 

POESIA

è il mondo, l`humanitá

la propria vita

fioriti dalla parola

la limpida meraviglia

di un delirante fermento.

(Giuseppe Ungaretti: Gedichte, Bibl.Suhrk.70,S.77)

 

 

Schreibend sich äußern ist nicht Preisgabe,

sondern Selbst- und Weltfindung.

(Erika Burkart, NZZ 4.5.13, S.30)

 

 

Das Sonett ist eins der herrlichen Geschenke an die Menschheit.

So harmonisch, als wär´s von oben eingegeben.

Wie eine dorische Säule.

(G.Sapgir, russ. Dichter, 1928 – 1999)

 

Sitz müßig nicht!

Nein, kratze das Papier,

und schreibst du nicht,

spitz eine Feder dir!

(Dalatschah, persischer Literat.-Historiker, gest.1492 in Herat)

 

 

SPRACHE  führt über einen hinaus

und zurück ins Selbst;

ist auch Sonde, Lupe und Lot

bei der täglichen Welt-Entdeckung –

lehrt sehen, hören, sprechen, schweigen:

überdies bewahrt sie, erinnert.   (S.22)

Eine Welt ohne Geheimnis

ist eine leere Nuß.  (S.13)

(Erika Burkart:“Am Fenster, wo die Welt einbricht.“)

 

 

Es ist die höchste Aufgabe des  DICHTERS ,

in seinen höchsten Augenblicken dem  WORT

seine Unschuld wiederzugeben.

(H.v. Hofmannsthal, zit.C.J.Burckhardt: Begegnungen,Manesse S.117)

 

 

Ich erhalte schreibend gedankliche Klarheit.

(P.Bieri  al. Pascal Mercier,NZZ 23.11.13,S.38)

Die Schrift ist ein Akkord aus des Weltalls Symphonie.,

Die Sprachlehre ist die Dynamik des Geisterreiches.

(Novalis, NZZ 23.11.13)

 

 

Den  DICHTER  sieht man aus der Nacht

der Eichen selig schwanken;

er taumelt fort mit seiner Tracht

unsterblicher Gedanken.

(N.Lenau: Werke in 1 Bd.,1981, S .5)

 

 

Ein GEDICHT  sagt nicht etwas aus,

es  IST  etwas!

(Ch. Baudelaire)

 

 

Die  SPRACHE  ist das Organ des inneren Seins.

(Wilh.v. Humboldt, Orden p.le mérite, Bd.11, S.39)

 

 

Die  POESIE  hat ihre Höhepunkte, wenn sie

dem Menschen Geheimnisse offenbart,

die in ihm liegen und von welchen er ohne sie

nur ein dumpfes Gefühl hätte.

(Jacob Burckhardt)


 

II. Zeit und Tod

 

 

, sotto i giorni nubilosi e brevi,

nasce una gente a cui el morir non dole.

(Petrarca, Motto zum 6.Buch E.Onegin v.Puschkin)

 

 

Selbst dem Herrscher der Welt sind die Tage gezählt.

(Armin Risi: Der Kampf mit dem Wehrlosen, S.24)

 

 

Der  TOD ist, ebenso wie die Geburt,

ein Geheimnis der Natur, hier Verbindung,

dort Auflösung derselben Grundstoffe;

durchaus nichts, dessen man sich zu schämen hätte.

(Marc Aurel, 4.Buch Nr.5)

 

 

Ein Mensch, welcher eine Stunde seiner Zeit

zu vergeuden wagt,

hat den Wert des Lebens noch nicht entdeckt.

(Ch.Darwin:Briefe)


 

…das Maß des Menschen ist nicht der  TOD,

sondern das  LEBEN.

(…que a medida do homem

nao é a mortem as a vida)

(Joao Cabral: Erziehung durch den Stein, Bibl.Suhrk.713,S.50)

 

 

Ich kenne mittlerweile die Grenzen des Lebens.

(Antonio Skármeta)

 

 

Ist´s die  NATUR  - bin ich ein Durchgang nur,

den sie gewonnen fürs Gesamtgeschlecht;

Bin ohne Eigenzweck, Bestand und Recht,

und bald bin ich verschwunden ohne Spur.

(N.Lenau, Waldgespräch)

 

 

Niemand weiß,

daß der Weg der Zukunft in die Vergangenheit führt,

und daß die Vergangenheit unbeendet

in der Zukunft enthalten ist.

(Ayahawa Nobuo- 1920 – 1986, Mensch auf d.Brücke,

Insel Vlg. 1989, S.23)


 

Wir kommen aus fernsten Zeiten,

sind Söhne unzähliger Geschlechter,

Erben dessen, was sie getan  -und es ist Gebot,

sie im Bewußtsein zu tragen.

(Reinh. Schneider: Winter in Wien, S.156)

 

 

A Man in portions can foresee

His own funereal destiny;

His wretchedness, and his resistence,

And his sad anallied existence.

(Lord Byron, im “Prometheus”, Oxf.Anthol.Nr339)

 

 

Darauf kommt es doch an,

was sich in den Seelen der Menschen verändert;

und wer das nicht spürt,

der weiß durchaus nichts von dem,

was sich in seiner  ZEIT  begibt.

(Reinh. Schneider: Die dunkle Nacht, Herder TB S.115)

 

 


 

III. Lebens – Weisheit / Gott

 

 

Das reinste Glück des Menschen

ist das geruhsame Spinnen von Gedanken.

(A.Risi, s.o., S.19)

Mögen auch unsere Beine krumm sein,

wenn wir nur damit laufen können.

Briefwechsel B.Croce/K.Vossler)

 

 

Was man besitzt,

wenn man nichts mehr besitzt,

ist der Reichtum der Weisen.

(A.Risi: s.o.,S.25)

 

 

Alle Gesetze und Sittenregeln lassen sich

auf eine zurückführen: auf die  WAHRHEIT .

(Goethe an Müller, 1819)

 

 

Dies ist das Äußerste menschlichen Gott-Erkennens:

zu wissen, daß wir Gott nicht wissen.

(Thomas v.Aquin: Quest.disput.de pot.Dei)

 


 

Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder

in einer anderen Welt.

(Schopenhauer)

 

 

Hast du  VERNUNFT  ?  Ja. –

Warum gebrauchst du sie denn nicht?

Denn wenn du sie schalten lässest,

was willst du noch mehr?

(Marc Aurel: 4.Buch, Nr.13)

 

 

Die Fülle der  WEISHEIT  wohnt in den Edlen.

(Euripides: Alkestis, S.26)

 

 

Wenn die Welt zugrunde geht,

dann nicht durch Kriminelle, sondern durch Menschen,

die sich so viel auf ihre Gerechtigkeit einbilden.

(Reinhold Niebuhr, Theologe, vor 1939 geschr.)

 

 

Denken ist das Gespräch der Seele mit sich selbst.

(Platon)


 

Es gibt schon namenlos viel Großes in dieser Welt,

und wenn man anfängt, es zu sehen

und zu nehmen, wo es kommt,

kann man auch  LEBEN , ohne nur zu vegetieren.

(Ottonie Gräfin Degenfeld, Briefw. H.v.Hofmannsthal,

Fischer Vlg. 1986, S.162)

 

 

Im Grunde sind es immer die Verbindungen

mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.

(Wilh.v.Humboldt)

 

 

Verehren zu dürfen, ist für mich

die schönste Gabe des Lebens….

Aus einer unbegrenzbaren kosmischen Dunkelwolke

schimmert schwach ein einziger Stern;

das muß uns genug sein;

mehr ist nicht geoffenbart….

Der Zweifel ernährt den Glauben;

der Glaube den Zweifel.

(Reinh.Schneider: Winter in Wien, S.226,241,242)

 

 

Das Leben des Menschen soll

zu einem Kunstwerk sich gestalten.

(C.G.Carus)


 

Nur wer da dient, erwirbt sein richtig Leben;

nur der ist reich, der es vermag zu geben.

(R.A.Schröder, zit.Briefw.Hofm./Degenf.,s.o.)

 

 

Klar läßt sich der Mensch doch nicht abgrenzen;

man muß die Untiefe fühlen, aus der er kommt,

die hinter ihm droht…

(R.Schneider: Brief an O.Heuschele, 15.10.38, S.49)

 

 

…denn Gott ist in der Finsternis

und dort müssen wir ihn suchen.

(R.Schneider: s.o. S.167)

 

 

Das Reich der  FREIHEIT

ist auch das Reich der Täuschungen.

(H.Hesse: Der Zauberer, Marb.Schriften Bd.14,S.70)

 

Alle Ewigkeitswerke der Geschichte

stammen letzten Endes aus den Gewissens-

Entscheidungen der handelnden Menschen.

(Friedr. Meinecke)

 

 

Jede Epoche ist unmittelbar zu Gott.

(Leopold Ranke) Orden p.le m. Bd.1, 1954/55, S.15

Es ist leichter einen Atomkern zu spalten

als ein Vorurteil.

(A.Einstein)

 

 

Der  SINN  des Menschen ist,

lebendige Grenze zu sein und dies Leben

an der Grenze auf sich zu nehmen und durchzutragen.

(Rom.Guardini, Orden p.le M., Bd.9, S.151)

 

 

Jede  WAHRHEIT  beginnt ihren Weg als Ketzerei

und endet als Orthodoxie. (Th.H.Huxley,S.70)

 

Altsein heißt Suchen!

(M.-L.Kaschnitz, S.110, Orden p.le M. Bd.12)

 

 

Auf ein Stück  WAHRHEIT  läßt sich nichts erwidern.

Es wirkt- oder es wirkt nicht.

Das ist nicht in unserer Hand;

wir sollen es nur bezeugen.

(R.Schneider: Die dunkle Nacht, Herder TB S.115)

 

 

WAHRHEIT  kann nie Besitz sein

und nie befohlen werden.

(P.v.Matt: Interpret. v. Lessings Gedicht: Lied a.d.Span.)

Der  ZWEIFEL  ist ein guter Partner:  er ist

das kluge Korrektiv von Glaube und Ideologie.

Der Zweifler ist einer, der sich den Glauben

nicht leicht macht.

Glaube braucht Zweifel, sonst wird er unkritisch,

realitätsverzerrend, rechthaberisch, manipulativ

und gefährlich.

(Heribert Prantl: Alt.Amen.Anfang. S.78 u.80)

 

 

Ich habe allen Respekt vor dem kategorischen Imperativ,

aber man muß es damit auch nicht zu weit treiben.

(Goethe, zit. Briefw. Croce/Vossler S.326)

 

 

Man kann mit einer einfachen WAHRHEIT

jahrzehntelang vertraut sein, bevor sie einem

zum ersten Mal in die Knochen fährt…..

Es gibt keine Selbstfindung, keine Gewißheit

des eigenen Ichs, ohne das schmerzlich durch-

gekostete Gefühl des Einsamseins..

(H.Hesse : „Im Nebel“ )

 


 

Denn wo das Jenseits verschwindet,

leuchtet das Diesseits auf,

und es funkelt der Kosmos

und glänzt die Natur.

(Interpret. eines Gedichtes v. Chr. Lavant, P.v.Matt)

 

 

Mach´  es dir zur Gewohnheit, die Gedanken

zu ordnen; das ist der einzige Weg zum Glück.

(Eug.Delacroix: Briefe u.Tagebücher, 1990, S.21)

 

 

Die  WAHRHEIT  ist wie ÖL,

sie kommt immer an die Oberfläche.

(Alph.Daudet: Port-Tarascon, Insel 873, S.145)

 

 

Entweder suchst du hier die WAHRHEIT ,

                            hier im Innern,

Oder du folgst dem Augenschein –

                           und wer du bist,

Bleibt unbestimmt wie das Ensemblespiel der Sinne.

Nur was ich selber dachte, selber einsah, halt ich fest

Wie lautet Regel Nummer Sieben?

Von dir wird bleiben nur,

was  du einst aufgeschrieben.

(D.Grünbein: Vom Schnee,Suhrk.2003/1,S.18,19,69)


 

Mein Tod

 

Nur ein Kolbe konnte

für einen andern sterben:

Opfertod gegen Schergen.

 

Mein Tod

gehört mir!

 

Eigentum jeglicher Form

bleibt hinter mir:

Familie, Bücher, Fotos ….

 

Mein Sterben

wird mein Einziges,

nur mir gehörig.

 

Mein eigentliches,

letztes Eigentum.

 

 

20.3.


 

Grammatik

 

Theologische Grammatik

mißbraucht den Indikativ!

 

Es ist ihr nur erlaubt,

den Konjunktiv zu nutzen:

 

die Form des Möglichen

oder des nur Gedachten!

 

Sie hat noch

den Optativ zur Wahl.

 

Glaubendes Wunschdenken

unerfüllter Hoffnung.

 

Einen Amorist oder Erotist

gibt es nicht.

 

Wir müssen

die Form der  LIEBE  selber finden.

 

 

20.3.


 

Exorzismus

 

Der kleine Prinz fegt täglich

auch die erloschenen Vulkane

auf seinem kleinen Stern.

 

Man kann nie wissen!

 

Wieviel kleine Teufel

schlummern in jeder Seele,

die einen zünftigen Exorzismus

nötig hätten?

 

Diese kleinen Tics, Manien,

harmlosen Süchte, Besessenheiten

 

Das Brevier der Beschwörung

hat jeder selbst zur Hand:

 

Seit Delphi bekannt:

„Erkenne dich selbst!“

 

 

20.3.


 

Das Visum

 

Bei welchem Amt

ist das Visum

für ein Jenseits

zu beantragen?

 

Paß-Kontrolle

an Schalter oder Schlagbaum?

 

Welcher Spürhund schnüffelt

am Agonie – Schweiß?

 

„Öffnen Sie den Koffer

Ihrer letzten Reise!“

 

Zoll-Beamte sind unbestechlich!

Im Seelen-Gepäck liegen die Listen:

 

Ist -  und Soll – Bestand:

schwarze und rote Zahlen:

 

„Ihre Bilanz ist unvollständig.

Sie sind ein Versager:

 

Sie werden ohne Visum

entsorgt.“

 

 

2.4.


 

Dämmerung  I

 

Des Tages Sinken

hat seine Poesie:

es weckt Oasen

dem Nomaden der Liebe.

 

Zeit des Übergangs

zwischen Licht und Dunkel,

zwischen Hund und Wolf.

 

Schwächer strahlt

die Sonne des Lebens:

es herbstet dem Winter zu!

 

Scheuer Mond

wagt keinen Trost.

 

Venus führt

funkelnden Sternenstaub

übers Gewölbe der Nacht.

 

Das Leben  -  ein Traum.

 

 

2.4.


 

Dämmerung  II

 

Recto oder verso:

die  LICHT – Münze

nehmen wir

nicht in die Hand.

 

Sie streichelt

unsere Augen:

freudiges Kommen,

dankendes Gehen.

 

Morgen und Abend:

dazwischen der Tag:

 

Aton in Egitto,

Phaeton peitscht die Rosse,

Jupiters Regentenfrist.

 

Auch Götter müssen ruhen!

 

Zwischen – Licht:

Hoffnung vor dem Tag,

Wehmut vor der Nacht.

 

Milde lächelt der Mond –

Venus kommt und geht:

sie schüttelt das Kissen.

 

 

8.4.


 

Gewißheit

 

Was die Leute

so alles glauben:

credo  ut intelligam

credo quia absurdum

credo in unum Deum

credo in Trinitatem.

 

Wie man sich doch

seines Seins vergewissern muß:

cogito ergo sum

dubito ergo sum

scribo ergo sum

spiro ergo sum.

 

Und doch gilt für alle:

 

homo  -  humus

fama  -  fumus

finis  -  cinis.

 

R. i. p.

 

 

8.4.


 

Treibjagd

 

Wer ist hier Jäger?

Wer der Treiber?

 

In welchem Auftrag

werde ich gehetztes Wild

dem Blattschuß

entgegen getrieben?

 

 

Gemäßigt erst

die Beschwerden des Alters.

 

Der Treiber  TOD

läßt sich Zeit:

weder Hase noch Reh

entweichen seiner Hatz.

 

Den Obolus für Charon

als Bruch ins Maul.

 

Hallali.

 

 

9.4.


 

Universalität

 

„Möge dir die Erde leicht sein.“

Frommer Wunsch nach Hinschied.

 

Und was geschieht

mit meiner Asche?

 

Sargholz vermodert  -

doch die Urnen-Keramik?

 

Auch sie

wird zerbröseln,

 

oder als metallener Mini-Sarg

verrosten.

 

Gefäß und Inhalt:

alles, alles Sternenstaub.

 

wir sind

universal!!

 

 

11.4.


 

Nescimus

 

Da reden die einen

von der ewigen Ruhe

und meinen es ehrlich:

Requiescat in pace!“

 

Da reden die andern

von einer seligen Schau

eines alles beglückenden,

restlos erfüllenden Gottes.

 

Na, was denn nun,

meine Herren Wahrheits-Besitzer,

postmortale Zukunftskünder?

Totaliter aliter!

 

Atemloses Gelöschtsein

gegen tätiges Schauen  -

zeitlos im stehenden Jetzt –

wenn überhaupt …

 

 

11.4.


 

Verschleiß

 

In der Werkstatt:

“Verschleiß“

Ersatzteil wurde eingebaut.

 

Abnutzung, Verbrauch,

normaler Alterungsprozess!

Was heißt hier normal?

 

Ihr Hüft – oder Knie – Gelenk:

Schmerzen? Beschwerden?

Sie brauchen ein neues!

 

Ein Teil verrostet,

ein anderer verstopft,

den dritten holt der Abrieb!

 

Panta rhei! Heraklit:

auch der Fluß ist nicht der gleiche,

in den wir wieder steigen!

 

 

13.4.


 

Umzüge

 

Aus der Heimat Böhmen

in ein hessisches Dorf:

ethnische Säuberung.

 

Vom schützenden Bauernhof

ins alte Fachwerkhaus,

mit Handwagen ins Eigenheim.

 

Zwei Jahre heiliges Köln,

Jahrzehnte freie Reichsstadt:

vorletztes Domizil.

 

Olympisches Hin und Her

hat kein Gewicht:

hier ist´s Vergnügen.

 

Kisten und Kasten

genug getragen.

Zuletzt trägt man  -  mich!

 

 

13.4.


 

Buchung

 

Für die letzte Reise

bieten sich

die Religionen als Agentur.

 

Herrliche Prospekte

locken zu Paradiesen,

auch für Frühbucher.

 

Seeblick auf Kinnereth,

vom Balkon auf Panoramen:

auf Hermon oder Sinai.

 

Vergnügliches mit Huris,

täglicher Frühsport um die Kaaba,

Mokka zu Muezzins Ruf!

 

Eine Suite in des Vaters Haus,

beseligender Anblick des Herrn

bei himmlischem Engelsang!

 

Koffer schon gepackt?

 

 

14.4.


 

Pub

 

Wie in London:

Männer aus den Büros

treffen sich zum Bier,

plaudern und lachen auf.

 

Spannung löst sich

von der Mühsal des Tages:

Reinigung vom Formalen:

es wird menschlich.

 

Statt in den Screen

schaut man ein Gesicht;

statt stummer Texte

ein Laut aus einem Munde.

 

Man trinkt sich zu,

man hört sich zu:

Gelächter  -  eine Explosion!

 

Ich trinke mein Guinness  -

und schreibe  -  dies.

 

 

18.4.


 

Jüngste Tage

 

An jedem Abend

begraben wir

den vergangenen Tag.

 

Ich  habe längst

die Kindheit beerdigt,

Adoleszenz und Jahre

beruflicher Reifung.

 

Jedes Erinnern

ist jüngster Tag

einer Auferstehung.

 

Nicht als Gericht.

Als erwecktes Leben

ziehen die Bilder vorbei,

neu ins Licht gerufen.

 

Sein  -  und Gewesen-Sein.

 

 

30.4.


 

Westendplatz

 

Kastanienbäume

rüsten sich

zur feierlichen Prozession.

 

Sattes Maien-Grün

untermalt die Würde

der Blüten-Pyramiden.

 

Schon der dritte Hund

vom Frauchen

Gassi geführt.

 

Kindergeschrei zeugt

von neuem Leben:

Zukunft!

 

Desgleichen

die Kinderwagen-Parade

stolzer, junger Mütter.

 

Die Sonne lacht.

 

 

2.5.


 

Oechsle

 

Stell dir vor,

du seist eine Traube

am Weinstock deiner Gegenwart.

 

Du reifst

deiner Lese entgegen:

Herbst des Lebens!

 

Spätlese? Auslese?

Trockenbeeren-Auslese?

Eiswein frostigen Alters?

 

Kelter der Agonie:

Rebensaft zum Germen,

Polterabend der Kellergeister!

 

Grad Oechsle als Maß,

wie du die Sonne der Liebe

in deine Wahrheit gewandelt.

 

 

2.5.


 

Unschuld

 

Gibt es denn Worte,

die ihre Unschuld

noch bewahren können?

 

Allein den Dichtern

wäre zu trauen,

die Sprache als Geliebte

aufs Brautbett zu legen!

 

Die Journaille hurt

und wälzt sich

auf zerknülltem Lotterbett.

 

Das unschuldigste Wort

wird schamlos defloriert

in respektloser Effekthascherei

in Print und Talk.

 

Ehrfurcht vor dem Wort

ist Achtung vor dem Leben!

Wäge seine Tiefe!

 

 

3.5.


 

Alexander

 

Mit welchem Recht,

ihr Schreiberlinge, Preiser, Lobredner,

nennt ihr Alexander „den Großen“?

 

Von Macht-Libido getrieben –

Freud vergaß diese Seite der Lust –

führte er seine Mannen

in vermeintlich heroischen Tod.

 

Die Keilerei bei Issos:

arme Gymnasiasten,

eitlen Ruhm zu respektieren!

 

Herrliches Persepolis

als Banause zu zerstören,

ist keines Ruhmes würdig!

 

Du hättest Dareios einsperren,

gar brutal den Feind töten können,

aber Persepolis vernichten,

das war kein Heldenstück.

 

Ich verachte dich!

 

 

8.5.


 

Speliologie

 

War schon Platon der eigentliche,

der tiefsinnige Speliologe,

den es je gab?

 

Aus uteriner Höhle

im Leibe der Mutter

unser Hervorgang.

 

Aus dem Ort ohne Licht

in den Tag gezerrt,

enden wir in alter Höhlung.

 

Die Lockung in imaginärer Vorwegnahme,

in Tiefen und Grotten

mutig zu steigen.

 

Die Kraft der Wassertropfen

in stetem Wirken

Kalkstein kunstvoll zu formen!

 

Hinab: zu den Müttern!

 

 

8.5.


 

Kreislauf

 

KREIS   -  geometrische Figur –

Grenzlinie unendlichen Vielecks

von innen oder außen.

 

Symbol der Vollkommenheit,

des Unendlichen –

und Statischen, der Ruhe.

 

LAUF  - ständige Bewegung

unseres Blutes:

Dank dem tapferen Herzen!

 

Der Mond um unsere Erde,

die Erde und alle Planeten

ums Zentralgestirn Sonne.

 

Hier gibt es eine Mitte,

um die sich alles dreht.

Wie eitel: Mittelpunkt sein!

 

Doch Bild aller Vergeblichkeit:

sich im Kreise drehn,

ausweglos, hoffnungslos.

 

Zentripetale und –fugale Kräfte

halten sich die Waage.

Wann Absturz oder Ausweg?

 

 

14.5.


 

Kosmo-Vision

 

Wie deutest du das All?

Gehst du aufs Ganze?

 

Was ist dein Referenz-System?

Römischer Vatikan?

EKD, Kant oder Buddha?

 

Welches Axiom

am Anfang aller Ableitungen?

 

Option fondamentale,

herrschender Gedanke,

dein Credo!

 

Glaube gegen Wissen,

Gewissen gegen Autorität.

 

Sternenstaub versus Astral-Leib.

Leibliche Auferstehung nur

bei Ur-Erb-Sünde negativ.

 

 

25.5.


 

Der Sprach-Baum

 

Rotwangige oder goldene Äpfel?

Zum Pflücken oder Bücken?

Verführung oder Reife?

 

Der Poet hofft,

daß er dazu

noch goldene Blätter trüge!

 

Da träum ich

wie Rückerts Bäumlein

von gülden oder grünem Laub.

 

Wünsch Worte mir

wie glitzernd Glas,

wie Diamanten gar.

 

Am Ende sind es

spitze Nadeln nur,

zum Reis gefächert.

 

So schab´ ich weiter

mit der Feder die Rinde,

daß Harz zum Bernstein gerinne.

 

 

25.5.


 

Der Name

 

Nomen est Omen?

Adam benennt:

ein Akt der Herrschaft!

 

Eltern schenken

ihren Kindern

den Namen fürs Leben!

 

Bisweilen sogar zwei:

den Ahn oder Paten

zu ehren.

 

Gestalten der Bibel,

Heilige der Tradition

werden künftig zum Patron.

 

Manche entfliehen

dem Wort- und Ich-Kerker:

sie wählen ein Pseudo-nym!

 

 

26.5.


 

Bestattung

 

In Yazd auf dem Hügel

den Geiern zum Fraß!

vom Schiff über Bord,

den Fischen ein Schmaus.

 

Asche vom Scheiterhaufen

in alle Winde verweht.

Johanna von Orleans

und Jan Hus lassen grüßen!

 

Leben aus dem Meere -

kippt die Urne vom Deck:

die Brösel zum Plankton:

der Kreislauf perfekt.

 

Von Kannibalen am Feuer

oder Würmern im Sarge gefressen:

aus dem Dunkel des Alls

in Sternenstaub der ewigen Nacht.

 

 

26.5.


 

Hagebutte

 

Irgendwann gab dir

jemand den Namen.

 

Überall ,

in deutscher Sprache,

bist du als Frucht bekannt.

 

„Schön blühn die Heckenrosen …“

zu Küssen und Kosen …

 

Mußt den Ruhm

der edlen Rose nicht neiden:

erfreust als Hecke im Hag.

 

Im Herbste leuchten

deine roten Butten:

gekrönte Tönnchen.

 

Mühsam das Mark zu höhlen;

drum rächst du dich:

dem Gallier als Gratte-cul.

 

 

30.5.


 

Erhellung

 

Lux, Lumen, Fulgur  -

von der Kerze zum Blitz!

 

Antike Lämpchen:

Docht zieht Öl der Olive

zu kleiner Flamme.

 

Riechst du den Duft

vom Wachs der Bienen?

 

Blick zum Himmel

der flimmernden Sterne:

Supernova? Eine Schnuppe?

 

Kerze der Osternacht –

unerfülltes Versprechen.

 

Aufklärung, Erhellung:

enlightenment der Philosophen  -

auch nur ein Glühwürmchen?

 

 

30.5.


 

Avantgarde

 

Die Armee der Lyriker:

Speerspitze oder Tross?

Vor -  oder Nach-hut?

 

Natur oder Gedanken,

Seele oder Leib,

Gefühl oder Analyse?

 

Wer bestimmt die Qualität

papierener Ergüsse?

Reim? Rhythmus? Zeilenbruch?

 

Was ist Literatur?

Lesenswerte Botschaft?

Wofür kostbare Lebens-Zeit

nutzen oder geuden?

 

Jahrbuch der Lyrik 2013:

welch ein Geseire!

Wo ein Körnchen in der Spreu?

 

 

30.5.


 

Der Fragebogen

 

Weit und breit

weder Auto noch Mensch:

die Ampel auf ROT.

 

Ich mißachte

den leeren Befehl.

 

Im Weitergehen

aus einem Vorgarten

eine vorwitzige Rosenblüte.

 

Ich schnuppere

und genieße den Duft.

 

Mein Verhalten im Frage-Katalog

eines forschenden Psychologen

zu meinem Charakter-Profil:

 

Überqueren Sie bei ROT?

Schnuppern Sie an Rosenblüten?

             JAAAAA!!!

 

 

2.6.


 

Messel

 

Vor 50 Millionen Jahren

gigantischer Geysir

von Dampf und Brocken.

 

Heiße Lava zum Schlot,

Grundwasser kocht  -  wohin?:

durch die Kruste von Gestein.

 

Ein Maar entsteht,

im Teich regt sich Leben,

Algenteppich deckt die Fläche.

 

Urwesen sinken in die Tiefe:

birgt Fische, Krokodile, Säuger;

Urpferdchen feiert Premiere.

 

Paläontologen spalten den Schiefer,

Wasser dunstet, Öl verschwelt.

Kostbare Funde in der Konserve.

 

Darwin läßt grüßen.

Wir ehren ein Erbe.

 

 

2.6.


 

Signale

 

Vivos voco

fulgura frango

mortuos plango.

 

Antonius läutet,

ruft zur Andacht,

Samstag-Abend.

 

Die Glocken rufen uns

zur Ja-Wort-Zeremonie,

zu manchem Chorgesang.

 

Sie riefen zu Taufen,

zu Firmung und Festen:

sakramentale Gesten!

 

Tönende Signale zum Sammeln:

Trompete und Trommel

für Heer und Tross.

 

Völker  -  höret die Signale …

O Freunde  -  nicht diese Töne …

Liebe Flöte! Liebe Schalmei!

 

 

2.6.


 

Girovago

 

Fremdling oder Landstreicher?

Vagabund oder Streuner?

Wanderer zwischen den Welten?

Pilger des Absoluten?

 

Heimatlos!

Wo seßhaft werden?

Wo ein Flecken der Unschuld?

 

Fried-Hof, Friede-Wald:

über allen Gipfeln …

… und des Treibens müde…

 

Alle Herbergen bieten

den Stall, die Streu;

nur der Fuchs hat seine Höhle.

 

Wir sitzen auf Everest,

Kilimandscharo, Hekla, Vesuv …

 

Als Astronaut

zum Stern des kleinen Prinzen:

ich küsse die Rose ..

 

 

4.6.


 

Die Baustelle

 

Da hat die Mutter

nach Monden guter Hoffnung

endlich zu beider Glück

ein neues Wesen in Wehen

zur Welt gepreßt.

 

Mit dem Rucksack der Gene

sind Grundstück und Bauplan

im Kataster amtlich.

 

Eltern und Schule

werkeln den Aushub.

Erst bist du Maurer,

dann Polier.

 

Erstaunlich:

viel später erst

dein eigener Architekt.

 

Du atmest Freiheit

und Grenzen des Möglichen.

 

Im Verrauschen des Richtfestes

wartet die Abriß-Birne:

die Halde ist zwei  Meter tief.

 

 

6.6.


 

Worte

 

Worte sind

nackte Knochen.

 

Ich füge sie

zu  klapperndem Gerippe.

 

Vielleicht gelingt es,

sie zu beleben

mit dem Fleisch der Poesie.

 

Vielleicht fühlst du

den Puls in den Adern,

wenn mein Herz schlägt.

 

Im Blute fließen

viele Gedanken.

 

Lohnt es,

sie auf die Reise

zu schicken?

 

 

12.6.


 

Fluten

 

Dank an Frau Rowling:

sie hat Gott

einen Vornamen gegeben:

Harry!

 

Der universale Schöpfer

ist ein Potter, ein Töpfer!

 

Aus Schlamm und Lehm,

aus Ton und Erde

schafft er dies und jenes:

sogar den Menschen

nach seinem Bild!!

 

Auch wenn seine Fluten

sündige Menschen nichten

seinerzeit in 40 Tagen –

und Noahs Arche rettet:

 

Heute sind es unsere Flüsse,

deren Wasser Deiche brechen:

nur noch Erb-sündige

um Hab und Gut bringen.

 

 

14.6.


 

Fische

 

Fische spielen

keine Flöte.

 

Hören sie rauschen

des Meeres

und er Liebe Wellen?

 

Aus ihren Kiefern

schenkten sie uns

in Äonen der Wandlung

Hammer und Amboß im Ohr.

 

Ihr Stummsein

wird unser Hören!

 

Schau auf zum Sternenhimmel

mit dankbarem Blick!

 

Kaviar, Lachs und Sushi:

LEBEN  aus dem Meer.

 

 

14.6.


 

Austern

 

Im Leib der Mutter

bin ich gewachsen

wie die Perle in der Auster.

 

O  Mensch  -

eine Muschel

im Meer des Lebens.

 

Vom Plankton Wissen genährt,

bildest du

deine Perlen der Weisheit.

 

Irgendwann

fädelst du die Kette.

Was soll dieser Schmuck?

 

Wer spielt die Musik

auf dem Ball der Eitelkeit?

 

Bitte ein Dutzend „Royales“

und eine Flasche

Sèvres et Maine“ sur lie.

 

 

14.6.


 

Botschaften

 

Ein Gedicht,

das kein Geheimnis

als versteckten Mehrwert

in sich trägt,

ist eine Platitüde!

 

Man muß

das Fließen des Blutes,

das Wehen des Seelensturmes

hautnah fühlen!

 

Es ist lebendiger Geist,

der sich in Sprache,

in der Wortfolge inkarniert.

 

Es ist ein leidend

oder freudig Herz,

das Pein oder Jubel

in die Welt schreit!

 

 

17.6.


 

Wasser-Musik

 

In der Wüste des Lebens

graben wir

unsere Zisterne.

 

Die Wege

von Oase zu Oase

sind weit.

 

Im Tiefgrund

der dürstenden Seele

fließen

die Wasser der Liebe

und Tränen des Leids.

 

Stillender

oder lösender Tropfen  -

gleichviel.

 

Atemhauch und Herzschlag

als Förderwerk

ans Licht des Tages:

 

…diesen Kuß der ganzen Welt…

als kleine Wasser-Musik.

 

 

17.6.


 

Lebenskreis

 

Arme Geier von Yazd:

man bringt euch

keine Leichen mehr

auf den Berg.

 

Arme Geier der Estremadura:

die EU verbietet,

daß euch die Bauern

verendetes Vieh servieren.

 

Würmer und Mikroben

zerlegen uns im Erdreich

ins letzte Molekül.

 

Glückliche Fische:

euch läßt man

unsere Toten in die Tiefe.

 

Der Kreis schließt sich:

Leben aus dem Meer

vor Urzeiten.

 

 

30.6.


 

Bewegung

 

Da joggen die einen,

die andern gehn an Stöcken:

nordic walking.

 

Wandern ist nicht nur

des Müllers Lust.

Laufband im „Mucki-Tempel“

soll für fitness sorgen.

 

Das Netz der Radwege

ist übers Land gebreitet:

man strampelt

und schaltet sein E-Bike.

 

Der liebe Hund,

der Gassi muß,

bewegt den inneren!

 

Westendstraße zum Pub:

Guinness ist Grund genug,

mich zu bewegen.

 

 

30.6.


 

Trotamora

 

Amulett oder Talisman,

Kaurimuschel oder Anch,

Udjad-Auge oder Kreuz,

Zahn des Löwen, Federschmuck,

Bemalung der Haut:

 

Symbole der Beschwörung,

archetypische Magie:

Segen oder Fluch

vom Schicksal zu erzwingen.

 

Verbale Formeln,

Gebete als Selbstgespräch,

Kulte vermeintlicher Götter

von Schamanen und Priestern,

Druiden und Skalden

den Völkern zu Trost und Trank:

 

die Seele dürstet!!

 

 

30.6.


 

Das Zeit-Konto

 

Hätte ich nur

früh gelernt,

ein solches zu führen!

 

Die Hälfte des Lebens

vergeuden wir

als Tagediebe!

 

Soll und Haben:

welch eine Bilanz

am Ende der Tage!?

 

Jeder Tag hat 24 Stunden.

Den nötigen Schlaf

schreiben wir gut.

 

Dank und Scham

für schwarze und rote Zahlen.

Kommt ein Revisor?

 

 

30.6.


 

Horticultura olympica

 

Die Weigelie hat bescheiden

dem strahlend weißen Jasmin

die Schau gelassen.

 

Die kleine Cistrose

dient ihm als Tambourette.

 

Schon pickt die Amsel

die Früchte der Felsenbirne.

 

Üppig schiebt sich

Forsythie in den Rasen.

 

Dreigestirn von Schneeball,

koreanische Tanne und Buche

füllten den Raum.

 

Hortensie und Balsamine

erwarten ihren Auftritt.

 

Topinambur wuchert wild

in vegetativer Knollenkraft.

 

Großblütige Glockenblume

verstummt ehrfurchtsvoll

vor dem stolzen Bauern.

 

 

30.6.


 

Zeit-Struktur

 

Wir müssen  -  wenn schon kein Halt  -

dem Fließen der Zeit

eine Ordnung geben!

 

Mit dem Urknall

beginnt kosmische Zeit.

 

Mit dem Leben des Homo

Kenntnis astronomischer Zeit:

Drehung von Planeten um Sonnen,

die Erde um sich selbst.

 

Biologische Rhythmen der Hormone,

hypophysär gesteuert:

circadian in Wachen und Schlaf,

der Cyclus des Weibes.

 

Erlebniszeit der Seele:

im Kinde weit gedehnt,

im Greise beschleunigt.

 

Reflektierender Kultur-Geist

kehrt von Äonen zu Epochen:

Geschichte aller Wissenschaften.

 

 

30.6


 

Der Maulwurf

 

Ich wühle mich

durch irdisches Erdreich

nach geistiger Nahrung.

 

Ich grabe Gänge

in manche Richtung

von Wissenschaften.

 

Die braunen Hügel

sind gehäufte Wortkörner

im Stapel der Schrift.

 

Die Grabschaufel Ratio

wird müde,

der Spürsinn erlahmt.

 

Nur im Schnüffeln von Aromen

ist noch Wonne des Alters.

Gelinde Exstase sei gegönnt!

 

 

2.7.

 

 


 

Nacht-Gespräch

 

Wo kommst du her?  -

Aus tiefem Dunkel.

 

Wo gehst du hin?

Ich weiß es nicht.

 

Es ist doch Tag!

Die Sonne ist schwarz.

 

Was sagt der Mond?

Er schweigt wie das All.

 

Es gibt doch Sterne!

Auch sie verlöschen.

 

Und am Ende?

Finsterste Nacht:

 

der Abstieg noch dunkler

in tiefsten Grund!

 

 

22.8.

 

(in der Nacht nach Klinik von 3 Wochen)


 

Edelweiß

 

Da stieg die Wally

in die Wand

zu ihren Geiern,

 

aus dem Felsenspalt

die edle Blume

zu finden.

 

Hinauf zum Adlerhorst;

komm , großer Vogel:

statt des Briefleins

in den Schnabel das edle Reis.

 

Nun flieg nach Nord´-

du weißt schon …

 

Der Klosterjäger

läßt die Büchse ungeladen

und zecht in der Martinsklause

mit dem Jäger von Fall.

 

 

22.8.


 

Evangelisten

 

Verkünder froher Botschaft,

Versprecher künftigen Heils:

die großen Vier.

 

Kostbare Codices  -  beweihräuchert  -

dem Kirchenvolk im Dome

feierlich verlesen.

 

Im demokratischen Wahlkampf

die Kandidaten der Parteien:

das Heil dem Volke

in 100 Tagen zugesagt!

Welche Lüge und Anmaßung!

 

Und beide vollmundigen Künder

genießen willfährige Diener:

die einen als Bodenpersonal

eines Erlösers und liebenden Gottes,

 

die andern als Journalisten,

als ihre Transmitter

weltlicher Ideologie und Prophetie.

 

 

1.9.


 

Vertrauen

 

Du steigst ins Auto:

kein Gedanke an Crash-frontal:

der steht nur in „BILD“.

 

ICE-Entgleisung und Folgen

präsentiert „HEUTE“ im Tievie.

 

Das Flugzeug sei noch –

wie Passagierzahlen sagen –

das sicherste Verkehrsmittel.

 

Schrecklicher Gedanke:

Sauerstoff-Zufuhr defekt!

 

Langsam steigert sich

bei dir die Atemnot:

Erstickung droht!

 

Du siehst die andern Menschen:

deren Japsen, Stöhnen, Schreien …

Die ersten sinken erstickt

in sich zusammen.

 

Du bist voll Vertrauen

in den Silber-Vogel gestiegen!

 

 

1.9.


 

Steine

 

Der große Saal

im Museum der Natur

gebietet Ehrfurcht in London –

zumindest beim „Goethit“.

 

Runde Steine,

von Wassern geschliffen,

schmiegen sich in die Hand.

 

Aus hartem Fels

in langer Zeit gerundet,

werden sie  -  später noch Sand  -

zum Mahnmal der Vergänglichkeit.

 

Es bleibt Materie:

Kalk, Gneis, Glimmer, Granit ..

selbst als Meteorit vom Mars.

 

Pyramiden für die Ewigkeit,

Statuen aus hartem Gestein.

Auch sie verwittern wie der Tuff

aus Vulkanen der Tiefe.

 

 

12.9.


 

Die Wolke

 

Himmelsgebild

wie gleichst du dem Leben!

 

Im Mittags-Azur

die erste weiße Flocke.

 

Auch du wurdest

im Muttergewölbe!

 

Und wie 

 sich´s nun ballt:

Cumulus in vielen Formen.

 

Und wie

der Geistwind

über den Globus dich jagt!

 

Und wie

Gewitterwände dräuen:

der krachende Blitz zum Tode!

 

War´s Wotan, Zeus oder Baal?

Gar Jahwe trinitarisch

und dir persönlich??

 

 

12.9.


 

Trilogie vom  GLÜCK

 

Glücks – Momente

 

Augenblicke von Seligkeit

zum Festhalten für die Ewigkeit.

 

Sie reihen sich

als Goldfäden

im Teppich deines Lebens.

 

Der Webstuhl Alltag

schafft mit dem Schuß

das bunte Geweb.

 

Nun fliege

auf deinem Gobelin

ins Traumland Erinnerung.

 

Der Goldfaden

ist der Leitfaden!:

folge ihm!!!

 

 

12.9.


 

Glücks-Zeichen

 

Was sagen uns „Modernen“

noch Amulett und Talisman?

 

Die Formen des Mythischen

ändern sich irrational:

Armbändchen, Tattoo,

Piercing, Kettchen …..

 

Wohin ist die Freude

beim Anblick eines Marienkäfers,

eines Schornsteinfegers?

 

Glück für den Tag

sollte der schwarze Mann bringen!

Und das vierblättrige Kleeblatt,

der Zopf aus Grashalmen!!

 

Was hat das Hufeisen

mit dem Pferdefuß zu tun?

 

All die Versuche,

das Geheimnis des Lebens

in Formen zu bannen –

und sei es eine Reliquie!

 

 

13.9.


 

Glücks-Mauer

 

Weshalb nur klagen?

Zettel in die Ritzen stecken

mit Nicken und Bitten,

die Kriegsgott Jahwe

gnädig erfüllen möge!?

 

Mauern als Gedenktafeln

mit hunderten Namen

gefallener Soldaten

in unsinnigen Kriegen!?

 

Plädoyer für die Glücks-Mauer,

wo wir Daten ritzen

seliger Augenblicke im Leben,

eben Glücks-Momente!

 

Die  -  ach  -  so schnell vorüber,

auch wenn die Zeiger

so lange stille standen!

 

 

14.9.


 

Wahrnehmung

 

Nimm wahr!

Öffne die Augen!

Sieh, was vor die liegt!

 

Die WAHR-heit der SINNE:

zieh die Jalousien hoch,

die vor den Fenstern der Seele

den Blick verstellen.

 

Rieche den Duft der Rose,

das Heu, ein Parfüm!

Schmecke die köstliche Frucht,

die würzige Speise, den Wein!

 

Höre die Sphärenmusik,

Klänge von Seele zu Seele,

ein Rausch der Gefühle!

Nimm wahr!

 

 

17.9.


 

Divinisation

 

Der Mensch sieht

hinter allen Dingen,

die er nicht versteht oder durchschaut

ein Geheimnis, gar Götter!

 

Sei es die ganze „Schöpfung“,

sogar er selbst

(angehauchter Erdenkloß!)

oder Wotan, Zeus, Baal, Jahwe,

die den Blitz schleudern!

 

Nach der Pforte des Todes

werden Himmel und Hölle

als Reich und Herrsch-Raum

vom lieben Gott und bösen Satan

lohnend oder strafend bewohnt.

 

Nirwana als glücklicher Ausweg?

Der Traum einer Wiedergeburt

auf dem Weg zur Vollendung?

Es bleibt die dunkle Nacht.

 

 

18.9.

 


 

Gelungen?

 

Wann

ist ein Leben gelungen?

 

Wann

ist es vollkommen?

 

Wie

ist es vollendet?

 

Wann

ist der Acker wohlbestellt?

 

Wann

stehen Hymnen im Nachruf?

 

Was

besteht vor dem letzten Gericht?

 

Wieviel

Wiedergeburten zum Nirwana?

 

 

21.9.


 

Wort-Brot

 

Wunden im Herzen

sind wie Ackerfurchen:

 

in die gerissene Scholle

streut der Dichter

seine Wort-Samen.

 

Sie keimen und sprossen

zur zarten Pflanze,

zum lösenden Gedicht.

 

Befreiende Schöpfung

in willfähriger Sprache.

 

Nun läßt sie die Sichel rauschen!

binde Halme zur Garbe

und mahle das Korn:

 

Brot der Poesie!

 

 

23.9.


 

Ein Geheimnis

 

Nimm das Atom:

es dient zum Strom

oder zerstört als Bombe.

 

Nimm das  WORT :

es streichelt die Seele

oder verletzt und tötet.

 

Es ist Wohlklang

aus einem Munde

oder es spuckt Gift und Galle.

 

Es reimt im Gedicht,

es formt die Träume

und dient der Phantasie.

 

Es spricht die Wahrheit

oder flüstert die Lüge.

Ein großes Geheimnis!

 

 

23.9.


 

Eklipse

 

Eine Sonnenfinsternis

muß für die Alten

ein erschreckendes Menetekel

für Zeiten gewesen sein.

 

Quoniam Deus Lux est!

Und dann ist ER weg:

Gott ist tot!!

 

Aton, Sol,Helios … die Ewigen

sind plötzlich sterblich!

 

Hoffnung keimt am Rande:

nur ein Minuten-Tod

bis zur Belebung.

 

Erwacht und Leben spendend

erfüllen sie ihre Pflicht:

Phaeton peitscht die Rosse,

der Wagen rollt.

 

Astronomen enthüllen den Mythos:

es war nur ein Streich

Lunas und Endymions!

 

 

23.9.


 

4.Gebot

 

Hast du

den Zweiten deiner Eltern

in die Grube gelegt,

so bist du als Ganzer

vom Baum des Lebens amputiert.

 

Die aufkeimende Erinnerung  -

immer öfter sich wiederholend –

wird dein Phantom-Schmerz.

 

Hilflos am Sterbebett,

der Gang zum Grabe

in traumhafter Trance.

 

Erst im Aufruf

vergangener Tage

wird alles Versäumen

in Wehmut bewußt.

 

Du hast zu wenig

geliebt und gedankt

für alle Opfer und Mühen.

 

Nun ertrage den Schmerz!!

 

 

23.9.


 

Überleben

 

Fressen und gefressen werden:

die Freß-Kaskade

vom kleinsten Plankton

bis zum letzten Hai.

 

Dieser Fisch ohne Feinde

ist der Sieger im Kampf

ums Überleben.

Er verendet und wird Aas:

anderem Getier noch zum Fraß!

 

Der Mensch  -  auch er  -

hat seine Feinde zum Tode:

grausamerweise den Artgenossen

in kriegerischen Massen

mit mörderischen Waffen.

 

Nur der Katholik noch Kannibale:

„Das  IST  mein  LEIB !“

als geglaubtes Mahl

zum Überleben in Ewigkeit!

 

 

24.9.


 

Die Mauer

 

Unser vergangenes Leben

liegt

hinter einer großen Mauer.

 

Nicht so real

wie die chinesische, israelische

oder Berliner zum Sperren.

 

Die unsrige trennt  -

ohne Schwert-Engel  -

von einem großen Garten.

 

Wir schlüpfen zu Zeiten

durch manche Bresche

und flanieren zwischen Rabatten.

 

Erinnerungen blühen auf:

Disteln, Nesseln und Rosen.

Ihr Duft begleitet den Rückweg.

 

 

25.9.


 

Tiefsee

 

Das Freud´sche ES:

die eigene Tiefe!

 

Die Reflexion im Tauchanzug

mit Atemgerät  RATIO.

 

Vom Boot des Tages

am Seil in die Nacht.

 

Was bringt

freies Denkspiel

vom Seelengrund nach oben?

 

Das Wissen der Welt

bleibt im Regal als Lexikon.

 

Der Schauder vor dem  NICHTS:

Altar und Kanzel leer!

 

Unio mystica   in Stille,

im großen Schweigen!

 

 

25.9.


 

Sokratisch

 

Alle Vielwisserei

ist nur Geplätscher.

 

Auf wesentliche Fragen

haben nur Schwätzer

und Apostel eine Antwort.

 

Es fällt schwer,

zugeben zu müssen,

daß wir nicht wissen.

 

Laß eitle Wahrheits-Besitzer

ihren Sermon predigen:

ihnen glaube wer will.

 

Die Wahrheit des Herzens zählt,

in Nächten erlitten,

im großen Schweigen!

 

 

25.9.


 

Fahrplan

 

Dein Fahrplan

ist längst gedruckt:

Abfahrt 7.August 1935

im Sternzeichen Löwe.

 

Bereitstellung auf Gleis „Liebe“

9 Monate zuvor.

 

Du fährst

auf deinem Geleise,

auf dem Schienen-Netz „Welt“

mit vielen Weichen:

 

Menschen, die dich prägen,

werfen den Hebel!

Auch am kleinen Bahn-Halt

steigen Freunde zu.

 

Fahrdienstleiter der Intensiv-Station

heben die grüne Kelle:

du darfst noch weiterfahren!

 

Die Zeit der Ankunft

am letzten Prellbock  -  ungewiß

 

 

27.9.


 

Kammern

 

Die Kammer der Zofe

neben gräflichem Alkoven.

 

Die Herzkammer,

sie pumpt sich mühsam

durch Tag und Nacht.

 

Aus dieser Vorratskammer

fließt Blut zum Leben!

 

In der Schatzkammer

lagern in Brokat und Samt

Juwelen glücklicher Tage.

 

Kammerherren tun bedeutsam

in Robe und Talar im Amt.

 

Im Reichskammer-Gericht wird

am Ende des Jüngsten Tages

das letzte Urteil verkündet.

 

 

28.9.


 

Winde

 

Die Christenheit erwartet

vom neuen Papst Franziskus

ein kräftiges Wehen des Geistes.

 

Mistral als kalter Nord,

Etesien im warmen Süden,

Passatwinde,

das Schiff Petri zu treiben.

 

Den Ozean Welt zu befahren

genügt kein Steuermann allein:

Matrosen in die Rahen:

setzt die Takelage!

 

Werft endlich Ballast von Bord!

Die Passagiere werden freudiger

die Fahrt genießen.

Feuert den Klabautermann!

 

 

29.9.


 

Entmythisierung

 

Schöpfungsmythen

sind wie Flaschenpost:

vor 5000 Jahren

ins Meer der Zeit geworfen,

an den Strand des Heute gespült.

 

Was sagen sie uns?

Was wissen wir heute,

 was vor dem Urknall war?

 

Soll noch ein Gott walten,

schaffen und erhalten?

 

Hinter jedem Rätsel der Welt

muß doch ein Gott stecken,

wenn nicht gar ein Teufel!

 

Divinisieren, Dämonisieren:

Geheimnis muß doch ein Ursach´ haben!

 

Mehr  LICHT  zur Erhellung,

zu Aufklärung und Enlightenment!

 

 

29.9


 

Metamorphose

 

Was erzählt

die Raupe der Puppe?

Das Ei ist stumm.

 

Ich mußte mühsam kriechen

und fressen, fressen, fressen …

ganze Bäume haben wir

gierig kahl gefressen.

 

Zum Bersten gesattet

der innere Befehl:

bau´ die braune Hülle,

verdaue und forme!

 

Der große Augenblick:

das Werk ist vollendet:

der Schmetterling erwacht,

entfaltet die Flügel der  FREIHEIT!

 

 

29.9.

 


 

Authentifizierung

 

Man will wissen,

wer du bist,

ob du es überhaupt bist.

 

Unverwechselbar

sollst du sein

für alle Zeiten!

 

Ohrläppchen, Iris,

Fingerbeere, Venenprofil,

Unterschrift  -  fälschungssicher?

 

Kriminologen sind Meister

noch aus einer Schuppe

dein genetisches Muster zu finden!

 

Es fehlt der Hirn-Detektor

zum Abruf intimster Daten.

Wer schützt vor dem Hacker?

 

 

30.9.

 


 

Die Überfahrt

 

Aus dem dunklen Hafen

im Mutterleib,

vom Ufer

aus Millionen Jahren Evolution:

 

stechen wir

mit der Geburt in See.

 

Den Ziel-Hafen

zeigt der  TOD

nach stürmischer Fahrt

übers Lebens-Meer.

 

Rückkehr in Sternenstaub

(Memento homine, quia pulvis es ..):

Aschermittwoch ist täglich!!!

 

Vor Lampedusa ins Nichts

oder Rettung in Auferstehung.

 

 

6.10


 

Nackt

 

Nackt geboren.

Der Tote wird bekleidet,

wenn die Totenfrau

den Leichnam gewaschen.

 

Des Kaisers neue Kleider

bewundert die Menge:

das Kind spricht wahr!

 

Wir kleiden

die Nacktheit der Existenz

mit weltlicher Habe,

die der Poverello verachtet.

 

Wir rühmen uns

in Ansehen und Rolle

in zeitnaher Umgebung.

 

Inter faeces et urinas nascimur!

 

 

6.10


 

Delphi

 

Der Imperativ an jeden:

„Erkenne dich selbst“!

 

PYTHIA`s  Orakel schweigt,

nicht Esoteriker und Lebenshelfer.

 

PHILOSOPHEN  erkühnen sich,

den gesunden Menschenverstand

seit  Aristoteles` Zeiten zu vertreten.

 

THEOLOGEN  verkünden

vermeintlich göttliche Offenbarungen

mit absolutem Wahrheits-Anspruch.

 

Armes  ICH :  Existenz-Analyse

mußt du selber leisten!!

 

Die Antwort auf alle Fragen

liegt in dir!

 

 

6.10.


 

Die Tafel

 

Das Leben

schreibt nicht mit Kreide.

 

Schiefertafel und Schwamm,

harter Griffel zum Krakeln.

 

Die grüne oder schwarze Tafel

im Klassenzimmer.

 

An sie gerufen zu werden,

beschleunigte den Puls:

„Rapprich, schreib die Zahlen an!“

 

Sich keine Blöße geben

vor der ganzen Klasse!

 

Auf der Seelen-Tafel eingeritzt

ein ganzes Leben gegriffelt:

 

kein  „Schwamm drüber“,

kein Iota gelöscht.

 

 

11.10.


 

Kastanie

 

Nun liegen

die braunen Kugeln

wieder im nassen Laub.

 

Daneben

die leere Hülle,

die stachelige Schale.

 

Wie lockt der Glanz,

die kuschelige Frucht

in die Hand zu schmiegen!

 

Feierlicher Lichterputz

vor einigen Monaten

erinnert an eigenen Lenz!

 

Nun die Ernte:

die Miniermotte in mir

vollendet ihr Freßwerk.

 

 

15.10.

 


 

Kerberos

 

Noch

wedelt er mit dem Schwanz.

 

Noch

nur ein leises Knurren.

 

Noch

sitze ich im Vorzimmer.

 

Noch

läßt Persephone nicht bitten.

 

Thanatos

ist sehr beschäftigt:

homo homini lupus!:

man bringt sich um.

 

Wartezimmer-Lektüre

für altersschwache Augen.

Vergiß nicht den Knochen

für den wachsamen Hund.

 

 

16.10.


 

Die Akte

 

Man hat dich  -

urkundlich beglaubigt  -

in die Welt gesetzt.

 

Keiner

hat dich gefragt:

der existentielle Oktroi!

 

Nun lebst du

als zoon politikon

und animal sociale:

 

mit allen Freiheiten

und gesetzlichen Fesseln:

die Kunst zu überleben!

 

Sieh zu,

wie du zurecht kommst!

Der  TOD  schließt deine Akte!

 

 

17.10.


 

Das Model

 

Dein genetischer Code

ist die Gußform,

in welche dich die Eltern

im Zuge der Evolution

gegossen haben.

 

Sie war nur in Gips.

Zur kostbaren Bronze

mußt du

in geschichtlichen Koordinaten

dich selber schmelzen.

 

Erwarte nicht,

hoch zu Roß

irgendwo als Denkmal

der Welt zu posieren!

 

Erwarte nicht,

den Nobelpreis zu erhalten

oder im „Who – iswho  zu stehen.

 

Das Buch des Lebens

ist in der Amalia verbrannt.

Sei mit der Asche zufrieden!

 

 

17.10.


 

Die Übersetzung

 

Die Hybris

des theologischen Bodenpersonals,

göttliche Weisheit und Liebe

als absolute Wahrheit

authentisch zu verkünden!

 

Das Jerusalemer Establishment

begründet das Todes-Urteil:

„Er hat sich selbst zum Gott gemacht.“

  

Traductore    Traditore!!

 

Übersetzer von Botschaften,

Vermittler von Einsichten

können der Falle nicht entrinnen,

Verräter und Verzerrer

des Originals zu werden!

 

Das gilt für die Poesie,

im Gedicht und für  -  Gott!

 

 

18.10.


 

Kehraus

 

Wenn das Fest des Lebens

vorüber ist,

werden die Stühle hochgestellt,

verkehrt auf die Tische,

die angetrockneten Lachen

verschütteten Weins zu wischen.

 

Nach Tanz, Schmaus und Rausch

die Kater-Stimmung.

 

War es wirklich ein Fest?

Das Befinden läßt zweifeln.

 

Jeder gelebte Tag

ist Fest und Kehraus,

ist Aschermittwoch!

 

Begreife die Comédie humaine

und werde wesentlich!

 

Sei!

 

 

20.10.


 

Der Nullpunkt

 

Sage mir,

wo du den Nullpunkt

deines inneren Koordinatensystems

festgemacht hast  -

 

und ich sage dir,

wer du bist!

 

Glaube und Ideologie,

jeder  -ismus,

werden zum Manifest,

zum  GPS  der Identität.

 

Als ein Exemplar

der Species „ Homo sapiens“ –

zur Zeit sind es 7 Milliarden  -

bist du eine Null

im globalen Ameisenhaufen.

 

Dein Nullpunkt ist konditioniert:

geschichtliche und soziale Koordinaten.

 

 

20.10.


 

Sisyphos

 

Der Stein meines Lebens

rollt immer schneller

vom Fest-Berg herab.

 

Nur wenige Meter

schiebe ich ihn

wieder hinan.

 

Reale und optionale Buchungen

werden storniert.

Der Aktionsradius wird kürzer,

der Lebenskreis kleiner.

 

Das irdische Jammertal  -

im Kirchenlied besungen  -

als „versaute Welt“ paulinisch bestätigt.

 

„Was soll all der Schmerz und Lust,

süßer Friede,komm ….“

 

Letzter frommer Wunsch:

R.i.p!

 

 

20.10.


 

Ignoranz

 

Jeder Glaubende

macht es sich

am Lagerfeuer seiner Behaustheit

recht bequem!

 

Unter dogmatischer Kuppel

läßt sich sicher leben!

 

Aber es ist ein Kartenhaus:

zieh` die Karte des Zweifels,

und alles stürzt zusammen!

 

Die Zungen zu Pfingsten

zucken nur,

die Verwalter der Gnaden

steuern Lösch-Fahrzeuge.

 

Man schnürt sich ein Korsett

zum aufrechten Gang.

 

Frische Luft der  FREIHEIT,

der „docta ignorantia“.

 

 

20.10.


 

Berufung

 

Die Hierarchie in der Rechtsprechung

vom kleinen Amtsgericht

bis zum europäischen Hof

lassen doch innerweltlich

an der Gerechtigkeit zweifeln.

 

Winkel-Advokaten

führen im Instanzenweg

durch dichtes Gestrüpp

von Verordnungen und Gesetzen.

 

So bleibt glaubend die Hoffnung,

im letzten Tribunal

ohne Möglichkeit der Berufung

einen unbestechlichen Richter

ohne Schöffen über sich zu haben.

 

„Quid sum miser tum dicturus

cum vix justus sit securus?“

 

On verra  -  ou non!

 

 

21.10.


 

Matrjuschka

 

Deine äußere Gestalt

gleicht der vollen hölzernen

russischen Puppe.

 

Du bist noch nackt,

kannst anziehen, was du willst:

Konfektion oder maßgeschneidert!

 

Dann lupfen wir den Oberkörper.

Sieh da  -  eine neue Puppe.

Was stellt sie dar?

 

Nur eine neue Rolle,

die du auf der Lebens-Bühne

vor welchem Publikum spielst?

 

Und noch ein Püppchen,

und noch eins …

 

Das letzte endlich

ist dein tiefstes Selbst.

 

 

22.10.


 

Winter-Schlaf

 

Einige Tiere

verkriechen sich

in ihre Höhlen.

 

Sie fressen für kalte Zeiten

ihre Speckschicht an

oder knabbern dann am Vorrat.

 

Der Baum gegenüber erfreute im Frühling

mit frischem Grün;

kahles Astwerk belebte sich.

 

Neulich ein gelber Fleck

in grüner Fülle.

Dann noch einer, noch einer …

 

Das ganze Kleid im satten Gelb!

Welche Verschwendung!

Herbstlaub als Schlaf-Teppich.

Goldener oder immergrüner Traum.

 

 

23.10


 

Pfadfinder

 

Pilger des Absoluten?

Wanderer zwischen den Welten?

 

Ich trage

keine Sträflings-Kleidung:

die Tür ist offen.

 

Gefangen in den Koordinaten

geschichtlicher Zeit und GPS:

Planet Erde, Europa, Ffm

 

Der Weg in die  FREIHEIT

ist steil und steinig!

Die einen singen:“zur Sonne…“

 

Auch die geht unter,

und dann ist Nacht.

LEBEN: die Wegstrecke

von einem Dunkel ins andere.

 

 

3.11.


 

Das Erbe

 

Das erste Erbe

sei eine Sünde!

Welch ein Unsinn!

 

Nur ein Tauf-Ritus

sei imstande,

sie zu tilgen,

um ewiges Heil zu gewähren.

 

Dann erben wir

einen Rucksack voller Gene,

den wir durchs Leben ragen.

 

Was sind schon im Erbe

materielle Güter:

ein Nichts!

Motten und Rost fressen alles.

 

Tröstet die innere Substanz!

Nur die letzte Puppe

der Matrjoschka ist echt.

 

 

4.11.


 

Der Beicht-Vater

 

Alfons Czibulka

hat es karikiert:

es gibt keine Beicht-Mutter,

nicht einmal im Kloster!

 

Der Arme im Beicht-Stuhl,

hinterm Gitter gefangen,

den seelischen Müll

sich anhören zu müssen!

 

In priesterlichem Amte

nun göttlich zu walten,

von Sünden loszusprechen:

ego te absolvo …!“

 

Welch eine Anmaßung!

Ein institutionelles Konstrukt

aus einem Bibelwort.

Keine Frequenz im Seelenbad.

 

 

4.11.


 

Die Ursuppe

 

75% Wasserstoff  -  Hydro-genium

24% Helium  -  Sonnen-Stoff

1 %  restliche Elemente  -  die Würze.

Dazwischen einige Higgs!

 

Aus all dem der Mensch,

wie sein Planet Erde

in kosmischer Einsamkeit.

 

Da rettet

kein geschichtlicher Ort

als archimedischer Punkt.

 

Der Anker als Symbol

des christlichen Glaubens

zu haften am biblischen Ufer

in transzendenter Ungewißheit.

 

Das einsame  ICH  im Schatten

von Sonnenwind und Nordlicht.

 

 

10.11.


 

Der Zeuge

 

Als Beobachter meiner selbst

und umgebender Wirklichkeit

schreibe ich die Ergebnisse

von Schau und Analyse.

 

SPRACHE  als Mittel und Medium

der  ICH -  und  WELT – findung.

Das vermeintlich objektive SEIN

muß in Reflexion gedeutet werden.

 

Diese Rück-Beugung zu leisten

ist Aufgabe und Fazit

logischer Denk-Bemühung

zu allen Ereignissen und Befunden.

 

Im allgemeinen Gerichtsverfahren

der Daseins – Erklärung und  - Bewältigung

zu gültiger Wahrheit

bin ich einsamer Zeuge.

 

 

10.11.


 

Ortlosigkeit

 

Ach wie einfach

hat es der gläubige Katholik:

Roma locuta  -  causa finita!:

 

für die Wahrheit,

fürs  (ewige) Leben überhaupt,

fürs eigene Gewissen!

 

Die Abnabelung von Mutter Kirche

ist der Reifung geschuldet,

der Geburt in die  FREIHEIT.

 

Den Ort der Niederlassung

bestimmt das einsame ICH –

in seiner ganzen Liebesfähigkeit.

 

Das Lebens-Schiff fährt

von Hafen zu Hafen

zum Stranden im letzten.

 

 

11.11.


 

Die Goldwaage

 

 Wo kämen wir hin,

wenn wir jedes  WORT

auf die Goldwaage legen wollten!

 

Dort wird Reinheit

in Unzen gemessen,

aber wo und wie

ist das Maß der Wahrheit?

 

Oh, unschuldiges, leeres,

jungfräuliches, weißes Papier.

 

Dürfen nur opfernd

weise erwogene Worte

dich entweihen?

 

So gehe denn weiter schwanger

mit allerlei Gedanken –

zu  ICH  und Mensch und Leben.

Der Satz der Gewichte ist groß genug.

 

(CABRAL: „Di ante la folha branca“,

vor dem weißen Blatt, die Inspiration)

 

 

13.11.


 

Menetekel

 

Der Abend hat sich

die untergehende Sonne

zur Stickerin erkoren!

 

Die sonst weißen Fäden  -

Ausstoß eines Fliegers –

zieren heute golden

den klaren Himmel.

 

Gleich drei Luftschwäne

fädeln zum Brokat

das Menetekel ins Azur.

 

Wer entschlüsselt die Botschaft?

Dumme Frage.

Mann oder Frau im Tower

weiß Ziel und Sinn genau:

 

kein sphärisches Geheimnis!

Belsazar darf ruhig schlafen!

 

 

13.11.


 

Gefühle

 

Wohlwollen, Zuneigung, Liebe –

Mißgunst, Übelwollen, Haß!

Sind dies

die abgesteckten Grenzen?

 

Eins-Sein mit der Natur,

romantische Schwärmer.

Unio mystica mit Gott,

die großen Heiligen und Mystiker.

 

Lyra und Lyrik,

Komponist und Poet

als Übersetzer und Gestalter

ihrer tiefsten Gefühle.

 

In Lied und Symphonie,

in Gedicht und Sonett

werden wir Teilhaber

und Erweckte eigener Tiefe.

 

Sprache und Musik:

zwei Seiten einer Medaille

zu Freude und Trost.

 

 

17.11.


 

Instrumente

 

Ein Ding, ein Gerät,

um etwas zu bewirken.

Der Gebrauch von Instrumenten

zeichne den Menschen

gegenüber dem Tiere aus.

 

Mit dem Hammer klopfen;

der Schraubenzieher, die Zange,

der Lötkolben, der Schlüssel:

das Arsenal der Handwerker!

 

Das erste Musik-Instrument:

die Knochenflöte: Tibiam canere.

Und erst eine Stradivari!

 

Mein Werkzeug:

das Wort, die Sprache;

Medium der Selbst-Analyse,

des ICH – Bewußtseins

und der Mitteilung.

 

 

23.11.


 

Hochzeit

 

Da wird getanzt  -

mit klapperndem Gerippe.

 

Ob das letzte Blut gespuckt,

der Krebs den Leib zerfressen

oder assistierter Suizid:

 

MORS  ist weiblich:

Komm Bräut´gam ins Grabesbett.

Thanatos und Tod sind männlich:

holde Braut, ich führe dich.

 

Freund Hein führt die Fidel

zur schaurigen Melodie.

Der Back-stage-Chor klagt

Hymnen an die letzte Nacht.

 

Erlkönig wiegt das Kind

in ewigen Schlaf.

Der Mönchs-Chor singt das Requiem.

 

Die Braut wirft den Kranz!

Oremus

 

 

23.11.


 

Login

 

An der Front

war es die Parole.

Mit dem Login

gehst du ins Internet.

 

Das Losungswort

als Geheim-Code,

als Zeichen des Erkennens.

 

Die evangelische Kirche

gibt ihren Gläubigen

Bibelsprüche,“Losungen

zum täglichen Besinn

an die betende Hand.

 

Die katholische Pastoral

steht nicht nach:

„Tägliche Meditationen“.

 

Dann gab es noch

als Karikatur die Mao-Bibel:

Indoktrination

durch steten Tropfen!

Bleibe nur hartnäckig!

 

 

11.12.


 

Wasser

 

Welche Wasser

aus welchem Quell

durchströmen das Nichts?

 

Ich lagere am Strand

abgründiger Tiefen.

Ich wage nicht den Blick

über den Rand des Schlundes.

 

Ebbe und Flut

umspülen das gratige Ufer.

Gedanken-Fische zittern

wie Rochen und Wels.

 

Das Blau des Glaubens

wurde schwarzes Gewölk.

Verblassende Gestirne

in kosmischen Fernen.

 

Auch hoffnungs-getränktes Nichts

läßt sich nicht überlisten:

es harrt die dunkle Nacht!

 

 

13.12.


 

Pont d´Avignon

 

Unser Leben

führt uns auf die Brücke:

sie endet zur Hälfte

im Fluß der Zeit.

 

Am diesseitigen Ende

stehen wir am Abgrund!

Die Hoffnung kündet:

da baut einer das Gegenstück.

 

Wohin der Übergang?

Brücke zweier Welten:

Erfahrung gelebter Zeit,

Hoffen in Ungewißheit!

 

Wer kassiert den Brückenzoll?:

This bridge is privately maintained“.

Und der Toll nach Sky!

Nehmt die Drachme für Charon!

 

Der Sprung in die Rhône

ist keine Rettung.

Der Papst-Palast ist verwaist.

Du hast keine Wahl!

 

 

13.12.


 

Das Billet

 

Das Billet

zum Eintritt ins Welt-Theater

wird am Ende

mit dem Tode bezahlt.

 

Sitzordnung variabel:

kurzfristig Loge oder Rang,

meist Holzboden oder Olymp,

Stehplatz eingeschlossen.

 

Die Akte laufen vorüber,

die Kulissen wandeln,

Oper und Drama desgleichen.

 

War es den Preis wert?

 

Ich war nicht gefragt.

Ich konnte nicht ablehnen.

Ich mußte meine Rollen spielen!

 

Der Mime verläßt die Bühne!

 

 

31.12.


 

Die Gebrauchs-Anweisung

 

Sie liegt zur Anwendung

jedes technischen Gerätes bei.

 

Hat die Hausfrau ein Rezept,

so backt sie guten Kuchen

oder schmort köstlichen Braten.

 

Nun das Mühen vieler Institutionen,

zum Gebrauch unserer  FREIHEIT

die einzig richtige Anweisung

mit oder ohne Autorität zu geben.

 

Wir müssen unsere Identität,

unser einmaliges  ICH

lebenslang prüfend

selber finden!

 

Wehret der Hybris

aller Wahrheits-Besitzer!!

 

 

4.1.14


 

Der Verwalter

 

Es ist

eine schwere Aufgabe,

die Sprache zu verwalten.

 

Jedes Wort

hat Wucht und Schwerkraft,

seine eigene Tiefe.

 

Man muß

damit umgehen

wie mit heiliger Monstranz!

 

Seine Wahrheit

ist sein verborgener Schatz:

der Poet als Goldwäscher.

 

Die Welt

hat viele Rätsel:

das Wort ahnt ihr Geheimnis.

 

Das Wort

fällt ins Schweigen,

in die Tiefe der Nacht.

 

 

6.1.


 

Die Halbinsel

 

Da ist diese Landzunge

meiner zugeteilten Lebenswelt.

 

Ozean zu beiden Seiten:

zwei Gestade, Küsten, Strände.

Auf der Ostseite als Strandgut

vor 78 Jahren angeschwemmt

aus dunkler Vorzeit der Evolution.

 

Als Primat embryonal behütet,

der Nestwärme entflüchtet;

Arbeitsleben in Mangroven-Wäldern,

auf Bergeshöhen, in Tälern gefristet.

 

Zeiten der Mühsal,

Stunden freundlichen Glücks,

geistiger und festlicher Freude.

 

Nun der Weg

zum westlichen Ufer:

sinkender Sonne entgegen.

 

Lebens-Auftrag erfüllt??!

 

 

16.1.


 

Die Machete

 

Die Sprache

ist meine Machete,

durch den Urwald Welt

mir einen Pfad zu schlagen.

 

Sie ist stumpf!

 

Täglich der Versuch,

durch Übung

sie zu schärfen.

 

Der Widerstand von Gestrüpp,

Buschwerk und Lianen

fordert alle Kraft.

 

Erkenntnisgewinn?

 

Da liegen die Gedichte

als gehauene Zweige

und Zeugen am Wegesrand.

 

Gelegentlich eine Blüte…

 

 

17.1.


 

Das Selbstporträt

 

Eine Vielzahl der Maler

haben sich selbst

vor dem Spiegel gemalt:

 

das bin ich!

 

Wie weit gelingt es

dem nachdenklichen Poeten,

mit der Selbst-Belichtung

zur eigenen Daseins-Erhellung

einer Porträt-Aufnahme zu gelangen?!

 

Jedes Gedicht,

das der Feder entquillt,

malt ein Detail

des Befindens im Augenblick.

 

Erst die Fülle der Collage

in ihrer Summe

läßt das Bild erscheinen.

 

Das Konterfei ändert seine Züge

im Fortgang der Reife.

 

Es ist Leben!

 

 

20.1.


 

Der Innen-Raum

 

In ruhiger Stunde

durchwandere ich

die Räume meiner Innenwelt.

 

Ich grüße die Bildnisse

meiner Geist-Sprüher

der Bildungs-Galerie.

 

Genußreiches Verweilen

zum Erkenntnisgewinn

da und dort.

 

Freudiges Erinnern

oder Neuaufnahme einer Galaxie

im geistigen Kosmos.

 

Der Strahl der Konzentration

auf Autor und Werk

gleicht dem Start Rosettas:

 

nach schläfriger Ruhepause

glückliches Erwachen

zu neuer Erkundung.

 

 

23.1.


 

Rein-Waschung

 

Asperges me  -  hysopo

et mundabor“!  ??

 

Die reinigende Kraft

heiliger Quellen: Ste.Odile.

 

Taufe wäscht Ur-Erb-Sünde.

Wo ist das Übel?

 

Die Waschung frommer Muslime

vor dem Gebet in der Moschee.

 

Rituelles Bad

der Hindus im Ganges.

Johannes tauft im Jordan.

 

Heute zum Strudelpool

im Wellness-Bad säkularisiert.

Gaudi  im Hallen- und Freibad,

Wellenlust am Meeresstrand.

 

Wäre Gründonnerstag täglich:

wer dem Nächsten die Füße wäscht,

reinigt sich und ihn!

 

 

17.2.


 

Der Fiedler

 

Aus dem Schienbein

wurde früh die Flöte:

tibiam canere:

die erweiterte Stimme!

 

Der Gerippte spiele die Fidel:

Auf, auf zum Totentanz!

Tango oder Bolero?

 

Schwingende Saiten

zur Sphären-Musik:

Wiegen – Wogen – Klänge

auf Charons Nachen.

 

Die kosmische Symphonie

schmilzt zusammen

auf wenige Töne!

 

Leicht sei dir das Gleiten

von einem Stern zum andern,

von erlebter zu geahnter Welt!

Er streicht die Traum-Melodie.

 

 

27.2.


 

Der Vormund

 

Ich bin

das ausgelieferte Mündel

des allgütigen Vormunds.

 

Ich darf

so lange leben

wie er es bestimmt.

 

Er spielt

den Tanz auf der Fidel,

wirft mit der Hippe,

schwingt die Sense.

 

Ich tanze

zuerst auf dem Seil,

dann auf dem Spinnfaden,

den Gehilfin Skuld zerreißt.

 

Ich lebe

nach Gesetzen und Regeln

des Vor-Vormundes.

 

Freund Hein,

du bist für jedermann

ein Tutel, ein Diener!

 

 

1.3.


 

Pfaffia

 

Das vielseitig gewandete Bodenpersonal

eines transzendent-immanenten Gottes:

Überlieferung in Bibel oder Koran.

 

Ob Zaddik oder Rebbe:

Bart, Käppi, Kaftan …

Sufi oder Mufti;

Turban oder Galabea.

 

Nach messianischer Wende:

Kopie oder Karikatur

byzantinischer Pracht

und kaiserlichen Pomps!

 

Kleider machen Leute –

auch in liturgischen Gewändern:

erstarre in Ehrfurcht!

Atme den Weihrauch!

 

Anmaßung der Diener

als Groß-Grund-Besitzer der WAHRHEIT.

Schluß mit Karneval“!!!

Heiliger Franziskus, hilf!!

 

 

1.3.


 

Erinnerung

 

Im Walde

so vor sich hingehen

und doch zu suchen:

 

die nie verlorene,

die eigene Zeit

in Lebens-Sedimenten,

in Schichten gespeichert.

 

Tiefenbohrung oder Film,

Bohrkerne oder Bilder:

der Gang durchs eigene Museum.

 

Als Paläontologe und Archäologe

wird Gegenwart durchbrochen,

der Staub gefegt,

die Grabschaufel  geschultert.

 

Spürst du

den Doppelsinn des Werkzeugs,

das den Maulwurf  ziert?

 

Ich grabe und grabe und …

 

 

16.3.


 

Der Pflüger

 

Vor meiner Hütte

sitze ich ruhig im Schatten.

Mein Herd raucht.

 

Den Acker meines Lebens

habe ich

Scholle um Scholle gewendet.

 

Habe als Sämann

viel Korn

in die Furchen gestreut.

 

Was ist geworden?

Was ist die Ernte?

Was birgt die Scheuer?

 

Und immer noch

greife ich zum Sterz,

nun Buchseiten zu wenden!

 

Und den Geist erfreut,

was manch anderer gedacht,

gefühlt, gelitten  -  wie ich!

 

(Anleihe: Hölderlin:Abendphantasie,

J.R.Becher: O Acker, mein Gesicht)

 

 

22.3.


 

Die Addition

 

Ob du

den Film deines Lebens

noch einmal abspulst  -

 

ob du

Jahre, Tage, gar Stunden

deiner Lebens-Zeit addierst:

 

es wird

eine lange Kolumne

unterschiedlicher Posten!

 

Strich drunter!

 

Was ist die Summe?

Das Fazit? Der Sinn?

 

Hat es sich gelohnt?

Aktiva und Passiva

aufgerechnet zur Bilanz!

 

Die Graduierung der Skalen

von Glück und Zufriedenheit

war nur für dich gekerbt!

 

Jucundi sunt acti labores!

 

 

24.3.


 

Hundeleben

 

„Cave canem!“

Nein, habt keine Angst:

ich wache nur

über mich.

 

Ich streune herum

in geistigen Welten,

nage von manchem Knochen

sattendes Fleisch!

 

Ich hebe kein Bein

am Baum im dunklen Wald:

ich greife zur Feder

und lasse Tinte fließen.

 

Meine Duftmarken

sind in Stille zu lesen

als flüchtiger Hauch!

 

Ein Kraulen hinter dem Ohre

dank ich mit wedelnder Rute.

Ohne Hütte, ohne Kette

genieße ich  FREIHEIT .

 

 

31.3.


 

Die Frage

 

Solange du noch fragst:

wer war ich gestern?

wer werde ich morgen sein?

 

dann hast du

das  „stirb und werde“ begriffen,

bist noch nicht erfroren.

 

Dann gehst du

ins tägliche Selbst-Gericht,

bist Kläger und Delinquent.

 

Fügst ein Klümpchen Ton

zur weichen Roh-Figur:

noch Zeit zum gültigen Bronzeguß.

 

Hier sind wir alle

Rodin, Moore, Maillol,

Arp und Lehmbruck.

 

Erschaffen zum Kunstwerk

für Glyptothek oder Walhall?

Auch Bronze ist nur Sternenstaub!

 

 

2.4.


 

Séance

 

Sich erinnernd,

frühere Zeit, ein Ereignis

ins Gedächtnis zurückrufen

gleicht einer Geisterbeschwörung.

 

Orpheus steigt hinab

in Orkus, Hades, Unterwelt,

ins Reich der Schatten.

 

Er sucht und findet Eurydiken:

die Geschichte ist bekannt.

Wir klettern, kriechen, fallen

in die eigene Tiefe.

 

Wir schreiten

die Galerie der Bilder ab:

sehen lebendige Menschen.

 

Wir begegnen aufs Neu

Teenagern, Männern, Frauen,

die eine Zeitlang Gefährten.

Wie haben sie uns geprägt?

 

Séance der Selbst-Vergewisserung.

 

 

4.4.


 

Ur-Licht

 

La luce si fa avara  -

amara l´anima.

 

Als Kind im Morgen-Licht,

in aufgehender Röte:

Eos´ rosenfingriger Gruß!

 

Die Lebens-Sonne im Zenit:

halt ein  -  und stehe still!

Nehmt Phaeton die Peitsche!

 

Es neigt sich der Tag:

Abendröte kündet die Nacht.

 

Die Laterne flackert matt,

die Kerze brennt tiefgründig:

schneuzet den Docht!

 

Warten aufs Verlöschen?  -

In Frieden sagen können:

 

„Es ist genug!“

 

 

16.4.14

 

(Eugenio Montale: ein Vers aus „I limoni“,

„Was bleibt (wenn es bleibt)“, Gedichte 1920-1980,

Dieterich´sche Verlagsbuchhandlung 2013, s.12)