Herbstlaub

 

Von meinem Lebensbaum

An –  und  Ein - Sichten

 

8.1.2011  bis  17.3.2013

in zeitlicher Reihenfolge

 

 

Konrad Rapprich

 

 

 

Internetseite :  www.konrad-rapprich.de

Titel-Foto: Stefan Rapprich


 

Inhaltsverzeichnis

 


Lesefrüchte  5

Laternenfisch  25

Hominisation  26

Die Schaukel 27

Neugier 28

Verfallsdatum   29

Die Partitur 30

Verweilen  31

Der Hamster 32

Mittag  33

Sonnen-Adler 34

Alphabet 35

Atlantis  36

Der Architekt 37

Pegasus  38

Pharmakon  39

Das Echo  40

Intergalaktisch  41

Der Schraubstock  42

Der Elfer 43

1934  44

Kreuzigung  45

Pyramiden-Ruhe  46

Der Kuß  47

Die Arche  48

Erhellung  49

Feuer 50

Licht-Fahrt 51

Freiheit 52

Der Fall-Apfel 53

Abend  54

Grauzone  55

Herbst 56

6.Akt 57

Freiheit 58

Totenbücher 59

Epitaphe  60

Westminster 61

Der Garten  62

Der Faden  63

Auferstehung  64

Euthymia  65

Der Maikäfer 66

Die Null 67

Das Buch  68

Der Selbstdenker 69

Der Denker 70

Himmelslicht 71

Sicherheit 72

(oder 28.August) 72

Sein  73

Schweigen  74

Leuchtkäfer 75

Der Scholar 76

Gipfelstürmer 77

Der Blick  78

Zeitspanne  79

Thesmophoria  80

Der Lanzenstich  81

Der Seismograph  82

Das  Hämatom   83

Bernstein  84

Die Weiche  85

Der Feigenbaum   86

Das Treibhaus  87

Das Museum   88

Der Schatten  89

Die Kränkung  90

Urfrage  91

Eines Tages  92

Die Balz  93

Das große X   94

Der Eisberg  95

Die Flasche  96

Das Konzert 97

Weltreise  98

Der Daumen  99

Kielwasser 100

Die Wabe  101

Die Fußnote  102

Der Talon  103

Jetzt 104

Dank  105

Vielleicht 106

Sprache  107

Der Insulaner 108

Die Ähre  109

Kündigung  110

Hathor 111

Das Buch  112

Der Notschrei 113

Mein Nicht-Leben  114

Helix pomatia  115

Seelennot 116

Die Filmrolle  117

Bel – vedere  118

Golondrina  119

Herbstlaub  120

Résumé  121

Der Flirt 122

Das Notenbuch  123

Mein Atlas  124

Der Abreiß-Kalender125

Die Stimmgabel 126

Das Fundbüro  127

Uhren  128

Das Zifferblatt 129

Tänze  130

Vier Würfe  131

Währungen  132

Frost 133

Der Hall-Raum   134

Kumano Kodo  135

Grautöne  136

Die Schmiede  137

Der Schwarzfahrer 138

Unsterblichkeit 139

Der Überschuß  140

Eine Minute  141

Mönche  142

Nekrolog  143

Das Schaf 144

Fanale  145

Der Nager 146

Rauchzeichen  147


 

 


 

Lesefrüchte

 

I.    Poesie/Literatur

 

 

„Ein Buch ist wie ein Garten,

den man in der Tasche trägt.“

 

Orientalisches[A1]  Sprichwort[A2] 

 

 

 

Envoy

 

Go, little book, and wish to all

Flowers in the garden, meat in the hall[A3] [A4] [A5] ,

A bin of wine, a spice of wit,

A house with lawns enclosing it,

A living river by the door,

A nightingale in the sycamore!

 

R.L.Stevenson  ( London 1914)

 

 

 

“Jeder wirkliche DICHTER ist irgendwo ein MYSTIKER

oder ein SURREALIST.

Er hofft auf eine Welt, die sich außerhalb des täglichen Universums

befindet, und er ist sich bewußt, daß er sie nicht erreichen kann….“

 

Adonis   (Essays  S.24)

 


 

„Karl V. (1519 – 1558)  soll

mit Männern französisch,

mit Frauen italienisch,

mit Gott spanisch und

mit Pferden deutsch gesprochen haben.“

 

Cambridge Enzyklopädie der Sprache, S.7

 

 

 

„POESIE  ist ein Pflug, der die Zeit in der Weise aufreißt,

daß ihre Tiefenschichten, ihre Schwarzerde zutage tritt.“

 

Ossip Mandelstam

 

 

 

„Que importa perderlo todo

Si al fin encuentolos versos

Que agiten viejas raices

Y rieguencon su armonia

Mis mas hondos sentimientos.”

 

Luis Zembrano  : Viejas Raices

 

 

 

“Die  DICHTUNG  ist vor allem… das Leben,

das zum Bewußtsein seiner selbst gelangt,

wenn es in der Seele eines genialen Menschen

wieder die Fülle seines Ausdrucks erreicht.“

 

Charles du Bos: „Was ist Dichtung“.


 

„Ich feile nicht meine Sätze,

sondern meine Ideen.

Ich halte inne bis sich der Tropfen  LICHT

gebildet hat, dessen ich bedarf,

und bis er von meiner Feder fällt.“

 

Jaubert

 

 

 

„Geblendet   -  übersah ich die Rose:

das Licht war nur der Schatten ihres Duftes.“

 

Man kann sein ganzes Leben hinter sich bringen,

ohne seine Muttersprache je gehört zu haben,

wenn man… unempfindlich für Poesie ist.

Nur die Poesie schützt vor der Taubheit

Für das Laut-Wesen der Wörter.“

 

Julian Przybós  (Poesie und Poetik, Suhrkamp, poln.Reihe)

 

 

 

„After silence, that which comes nearest to expressing

the inexpressible is MUSIC.”

 

Aldous Huxley  (Todesanzeige NZZ 15.3.12)

 

 

 

“Positiv im Buch des Lebens steht verzeichnet

nur das Lieben.“

 

Wilhelm Busch


 

„SCHREIBEN  ist mir Suche, Entdeckung, Erkenntnis.“

„GEDICHTE sind Szenen des täglichen Lebens,

sie existieren auch ungeschrieben jederzeit und

überall um uns herum.

…indem wir eine Form finden für das,

was uns widerfährt, finden wir uns selbst.“

 

Angela Krauß  (Poetik-Vorlesung Ffm 2004, ES 2389)

 

 

 

„Die POESIE  ist jene Reise ins Unbekannte,

wo sich das ICH verdunkelt

in der Trunkenheit der Exstase.“

 

Adonis  (Gebet und Schwert, S.43)

 

 

 

„Der DICHTER  hält sich für das Maß des Lebens

und zahlt mit dem Leben dafür.“

 

B.Pasternak (Klappentext:M.Zwetajewa:Briefe an Steiger)

 

 

 

N´oubliez pas la poesie

Ni le poeme qui dort

Comme un enfant dans la memoire.“

 

Frédéric Wandelère „Hilfe fürs Unkraut“ (Hauser S.66)

 

 

 

„POESIE ist die Mutterprache des menschlichen Geschlechtes.“

 

J.G.Hamann

„Das  TAGEBUCH  ist gewissermaßen die Beschwerdestelle,

deren Schalter nie geschlossen hat,

die Hotline, die nie belegt ist –

und dazu noch gebührenfrei.“

 

Michael Maar  (Tagebücher, Von Tobel Stiftung,  29-12-2012)

 

 

 

“Der Jubel der Seele liegt in der Tat.“ (Shelley)

„Der Jubel des Körpers liegt in der Kontemplation.“

(Boris Vilde´: Trost der Philosophie)

„Ein Gedicht ist der Jubel der Sprache“ (KR)

„Das  GEDICHT  ist der höchste der endgültige ausdruck

eines geschehens: nicht wiedergabe eines gedankens

sondern einer stimmung.

Was in der malerei wirkt ist verteilung linie und farbe,

in der dichtung auswahl maß und klang.“

 

Blätter für die Kunst:Auslese 1892-98, S.13

 

 

 


 

II. Tod und Zeit

 

 

„Geh aus dem Diesseits hinaus,

bevor man dich hinaus trägt.“

 

Ibrahim Ibn Adham (Sufi)

 

 

 

„Liebt euch, Lebende!

Die Zeit verrinnt so schnell.“

 

(NZZ, Todesanzeige 1.11.10)

 

 

 

„Ich Pilgrim! Wo bin ich?

Im Todesschatten.

Auf welchem Wege ziehe ich dahin?

Auf dem Wege des Irrtums.“

 

Hildegard von Bingen

 

 

 

„Alles was ist, wie groß und gut es sei,

besteht eine Zeit, erfüllt einen Zweck,

und geht vorüber.“

 

Adalbert Stifter: Nachsommer S.98

 

 

 

„Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert,

ist verurteilt, sie zu verwirklichen.“

 

George Santayana

Man kann das Gegenwärtige nicht

ohne das Vergangene erkennen.“

 

Goethe: Italien.Reise 25.1.1787

 

 

 

„Kein Irdischer … kann den Gedanken

der  Unsterblichkeit zu Ende denken,

und die Ewigkeit ist für uns nichts

als ein ungeheueres Wort.“

 

H.W.Geißler:Odysseus und die Frauen

 

 

 

„For every thing that lives is holy.“

 

“Eternity

He who bends to himself a joy

Does a winged  life destroy;

But he who kisses a joy as it flies

Lives in eternity´s sunrise.”

 

William Blake

 

 

 

“Wir kommen untrainiert zur Welt

und sterben ohne Routine.”

„Der Weg vom Leid zur Träne

ist interplanetarisch.“

„Ich suche die Öffnung zu etwas,

das ich selbst noch nicht kenne.“

 

Jennifer Egan     (Pulitzerpreis)

(Der größere Teil der Welt, Rezension NZZ 11.2.12)


 

„Er  (der TOD)  ist ein sanfter, lieblicher König,

wenn deine Seele ihn als Bruder willkommen heißt.“

 

Hero Max: über den Tod (Türmer 1911, S.76)

 

 

 

„Der  TOD  ist der Übergang von der einen Hand  Gottes

in seine andere.

 

D.Bonhoeffer

 

 

 

„Die gewöhnlichen Leute sind bloß darauf bedacht,

die ZEIT  zuzubringen;

wer irgend ein Talent hat, sie zu benützen.“

 

Schopenhauer  (zit. Heiduczek:Tod am Meer)

 

 

 

„Der Mensch kann … seine ZEIT  beeinflusen.

Dafür ist er frei, dafür ist er verantwort lich.“

„Es gibt keine absolute  WAHRHEIT,

aber es gibt Dinge, die wahrer sind als andere.“

 

Richard von Weizsäcker evangel.Kirchentag 1985

 

 

 

„Und sollt´ ich noch einmal die Tage beginnen,

ich würde den selben Faden spinnen –„

 

Th.Fontane


 

„Auch kann man das  LEBEN  derart lieben,

daß man den TOD mit einem Lächeln empfängt.

Es ist das Lächeln Buddhas.“

 

B.Vildé  (Trost der Philosophie)

 

 

 

III. Lebens-Weisheit.

 

 

„Die Weisheit ist die Frucht der Beobachtung

und die Tochter der Erfahrung“

 

Leonaardo da Vinci

 

 

 

„Ohne Erinnerung sind wir geistig tot.

Ohne Vergessen sind wir seelisch gelähmt.“

 

Peter von Matt  (NZZ 22..1.11,S.21)

 

 

 

„Jeder Tag, an dem du nicht lächelst,

ist ein verlorener Tag.“

 

Charlie Chaplin

 

 

 

„…jeder Mensch hat innere Grenzen,

die dem Guten und dem Bösen ihr Maß geben.

Überhaupt allem, was zwischen Menschen möglich ist.“

 

Sandor Márai .Das Vermächtnis der Eszter,Piper 2004, S.124

„Rette dich, zieh in den Orient,

um die Luft deiner Vorfahren zu atmen.“

 

Goethe 1816

 

 

 

„Hier bin ich, zurück im Orient –

und  nahe der ersten ewigen Weisheit.“

 

A.Rimbaud,

 

 

 

„Denn man verdient wenig Dank von den Menschen,

wenn man ihr inneres Bedürfnis erhöhen,

ihnen eine große Idee von ihnen selbst geben

ihnen das Herrliche eines hehren, edlen Daseins

zum Gefühl bringen will.“

 

Goethe: italien.Reise, in Vicenza

 

 

 

„Wer all des Guten nicht mehr gedenkt,

das ihm in seinem Leben geschehen ist,

der ist an eben diesem Tage alt geworden.“

 

Epikur  (Zit. NZZ 21.6.11,S.18)

 

 

 

„Jeden Morgen  -  jede Minute  -  wach werden

und sehen, wie das Leben beginnt – welch ein Glück!“

 

Jaques Lusseyrau: Das Leben beginnt heute, dtv 11311, S.29


 

„Il  faut toujours travailler.“

 

Rodin zu Rilke, (Rilke in Spanien  -  it 1507  S.13)

 

 

 

„Fashioon allways had, and will have its day  -“

but truth (in  all things) only will last

and can just have claims on posterity.”

 

John Constable (Brief an Dunthorne)

 

 

 

“Bekenntnisse kennen keine Vergangenheit und keine Zukunft,

sondern nur den Augenblick, in dem sie ausgedrückt werden.“

 

Martin Walser  in „Muttersohn“

 

 

 

„Die Geschichte lehrt die Menschen,

daß die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“

 

Mahatma Gandhi  (1869 – 1948)

 

 

 

„Die  NATUR  liebt es, sich zu verbergen.“

 

Heraklit

 

 


 

„Denn auch das Tier kann Zärtlichkeit empfinden;

ein Schwan ist darin klüger als uns schwant.“

 

Molière: Amphytrion  -  Prolog

 

 

 

„This world is a comedy to those that think,

a tragedy to those that feel.”

 

Horace Walpole  (Brief am 16.8.1776 an Countesse of Upper Ossory)

 

 

 

“Freu dich an der Freude der andern und  -

Du kannst noch leben.“

 

Tschaikowsky  (zur IV.Symphonie)

 

 

 

„Sur differentes fleurs l´abeille s´y repose,

et fait du miel de toute chose.“

 

La Fontaine

 

 

 

„Il faut cultiver son jardin.“

 

Voltaire


 

“Das Bestreben, das Universum zu verstehen,

hebt das menschliche Leben ein wenig über eine Farce hinaus

und verleiht ihm einen Hauch von tragischer Würde.“

 

St. Weinberg: „Die ersten 3 Minuten“   München 1980 S.62

 

„Die Angst vor der Metaphysik ist eine Krankheit

des Empirismus.“

 

A.Einstein  (Zit. Mutschler: Form und Formel)

 

 

„Alle  BILDUNG  hat ihren Ursprung allein im Inneren

der Seele und kann durch äußere Veranstaltungen nur veranlaßt, nie hervorgebracht werden.“

 

Wilh.v.Humboldt

 

 

„Der große  SPORT  fängt da an, wo er längst

aufgehört hat, gesund zu sein.“

 

B.Brecht

 

 

„Zufall gibt es nicht. Zufall ist eine

Noch nicht durchschaute Gesetzmäßigkeit.“

 

Martin Walser   FAZ 11.11.11 , S.33

 

 

„Die Welt ist ein Narrenkäfig.“

 

Hauinschrift in Landsberg/Lech

(zit: Montaigne: italien.Reise S.33)


 

„…zwischen denkenden Köpfen gilt eine Gemeinschaft

aller Güter des Geistes;

was einer im Reiche der Wahrheit erwirbt,

hat er allen erworben.“

 

Fr.Schiller :Antrittsrede 1789 in Jena.

 

 

 

„Ich bin. Aber ich habe mich nicht.

Darum werden wir erst.“

 

E.Bloch : Tübinger Einleitung in die Philosophie  1963

 

 

 

„Wir alle sind  NARREN , und keiner hat das Recht,

einem anderen seine eigentümliche Narrheit aufzudrängen.“

 

G.Büchner: Dantons Tod

 

 

 

„…etwas schnell zu begreifen ist ja ohnehin die

Eigenschaft des Geistes,

aber etwas  recht zu tun, dazu gehört die Übung

des ganzen Lebens.“

“Das ist das Angenehme auf Reisen,

daß auch das Gewöhnliche durch Neuheit und Überraschung

das Ansehen eines Abenteuers gewinnt.“

 

Goethe::ital. Reise


 

„Jeder Mensch ist ein Abgrund.

Es schwindelt einen, wenn man hinabsieht.“

 

G.Büchner: Woyzzek

 

 

 

„O grande profundum homo.“

 

Augustinus

 

 

 

„Wir haben nur ein Leben.

Und dieses müssen wir genießen.“

 

Iris Apfel (Stil-Ikone, USA)

 

 

 

„Es gibt einen Frieden,

den man in der Bescheidenheit erreicht.

Aber es ist der, der am meisten kostet.“

 

Gustavo Pereira

 

 

 

„A perfect judge will read each work of wit

With the same spirit that its author writ.”

 

Alex.Pope  (Zit. Irish Classics)

 

 

 

“No hay caminos, hay que caminar.”

 

 Luigi Nono

Ein We gist da, wo man ihn geht.

 

Oliver Cromwell

 

 

„O my child! Temptations are sore things;

but yet, without them, we know not ourselves,

nor what we are able to do.”

 

Sam.Richardson: Pamela, Letter XIII

 

 

 

“Guter Wein in Maßen genossen,

schadet auch in größeren Mengen nicht.“

 

Wappenspruch der „Markgräflichen Gutedelgesellschaft“

 

 

„Das Leben hat ohnehin keinen Sinn,

den Sinn muß man sich selber herstellen.

Wenn man ihn nicht sucht, ist man krank.“

 

Gabriele Wohmann  (Interview Chrismon)

 

 

„Der ethische Anspruch ist immer mit der Wahrheits-Suche verbunden. Mit einem Höchstmaß von gesunder Skepsis.“

 

Alfres Grosser :Lebensbilanz S.39

 

 

„Leben ist die Kategorie des Möglichen.“

 

Fr.Hebbel:  Tagebücher S.41

 


 

„Wenn es in den Briefen  HESSE´s etwas Hartnäckiges gibt,

dann dies: die Behauptung der individuellen Verantwortung

für das einem zugemessene Leben.“

 

Werner Weber  NZZ 16.6.1951

 

 

 

„Wir können einander verstehen;

Aber deuten kann jeder nur sich selbst.“

 

H.Hesse: Demian

 

 

 

„Der Mensch ist ein Blinder, der vom Sehen träumt.“

 

Fr.Hebbel  Tagebuch

 

 

 

„Denken, was wahr ist,

Fühlen, was schön ist,

und Wollen was gut ist,

daran erkennt der Geist

das Ziel des vernünftigen Lebens.“

 

August von Platen  (Todesanzeige NZZ 30.8.12)

 

 

„Das habe ich getan, sagt mein Gedächtnis.

Das kann ich nicht getan haben,

sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich.

Endlich  -  gibt das Gedächtnis nach.“

 

Fr. Nietzsche

„Kultur  -  das ist menschliche Ganzheit und Harmonie;

Es ist die Vergeistigung des Lebens

Und das Fleischwerden des Geistes  -

die  Synthese von Seele und Geist.“

 

Th.Mann  (Aufsätze, Reden  Bd. 3 S.54)

 

 

 

IV.  Religion//Gott

 

 

„Nehmen wir aus dem Leben die wenigen Augenblicke

der Religion, der Kunst und der reinen Liebe –

Was bleibt als eine Reihe trivialer Gedanken.“

 

Schopenhauer  zit.( Safranski S100)

 

 

 

„Denn ohne das Moment der Sprachlosigkeit,

also wenn man um Worte ringen muß,

kann man von  GOTT  nicht sprechen.“

 

(Zitat nicht belegt)

 

 

 

„Sapere aude!

Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen.“

„Die  MYSTIKER  sind Gefäße,durch welche ein wenig

Erkenntnis der Wirklichkeit  herinsickert in unsere menschliche Welt des Unwissens und der Illusion.“

 

Ald.Huxlex. die graue Eminenz  S.111

 


 

„Man bewältigt ein Gebirge und stolpert über einen Stein.“

„Aber was wir Zufall nennen,

ist vielleicht die Logik Gottes.“

 

G.Bernanos: Die begnadete Angst

 

 

 

„Wer seinen  GLAUBEN  ohne intensiven ZWEIFEL vorträgt,

der hat von glauben nicht  viel verstanden.“

 

Landesbischof Meister, Hannover

 

 

„In jedem Weltbild gibt es eine oberste Instanz.“

 

Angela Krauß:  Ffm-Poetik-Vorlesung 2004 S.18

 

 

Man sollte nur mit seiner ganzen Seele

Auf die Wahrheit zugehen.“

 

Platon

 

 

„O  Gott  -  wer bist du  -

Wenn wir alle tot  - sind.“

 

Max Huwyler

 

 

„Mathematik ist die Sprache,

in der Gott das Universum schrieb.“

 

Galilei


 

„L´homme est un dieu

Qui se souviens des cieux…

Mon âme est  un rayon de lumière et de l´amour

Qui, du foyer divin  échappé pour un jour

Aspire à remonter à  sa source sacrée.”

 

Lamartine  (Zit.D.Saurat:Atlantis S.195)

 

 

 

“Der Normalfall des  MYSTIKERS  ist  aber der reife Mensch, der erfahren hat, wieviel Dank er schuldet.“

 

Lorenz Jäger (FAZ 4.11.12)

 

 

 

„Wenn alles vorhergesehen und bestimmt ist,

müßte  Gott vor Langeweile sterben.“

 

B.Vildé  s.o. S.118

 


 

Laternenfisch

 

Ein Streichhölzchen

kann Finsternis erhellen,

viel mehr noch eine Kerze.

 

Helles Leuchten

der Feuerflammen

in nächtlicher Kälte.

Ikarus sehnte sich

nach anderem  LICHT

und zahlte mit dem Leben.

 

So viele Irrlichter

im Dunkel der Gegenwart.

Eigenes Licht voran

als Laternenfisch.

 

Tiefsee-Dunkel umgibt mich.

 

 

 

8.1.2011


 

Hominisation

 

Ich wähnte mich

als Adam allein in Eden.

 

Großvater Silberrücken

war voll Staunen,

als ich mit der Axt Ratio

 

verbotenen Erkenntnisbaum

zu fällen gedachte,

den zu erklettern er doch träumte.

 

Von Wissensdurst gequält

und Wahrheitshunger erschöpft,

schlief ich ein.

 

Im Erwachen

der Morgenröte neuer Hominiden

schmerzte meine Seite.

 

Und staunend erblickte ich

Frau Neander und Denisova.

 

 

 

9.1.


 

Die Schaukel

 

Schon im Fruchtwasser

wirst du geschaukelt.

 

Dann die Wiege  -

von Großmutter bewegt.

 

Die Freude der Schiff-Schaukel

auf Volksfest und Kirmes.

 

Wir schaukeln auf Meeren

durch wogendes Beben.

 

Von Harlekinen der Lebensweisheit

und ewig-seligem Leben

 

werden glückliches Paradies

gegaukelt.

 

Seekrank am Ende –

ganz und gar verschaukelt.

 

 

 

9.1.


 

Neugier

 

Die erlaubte Sucht:

dem Lockruf des Unbekannten

auf  vielfältige Weise folgen.

 

Das Dunkel des Geheimnisvollen

mutig durchdringen wollen!

 

Wo wären wir heute

ohne die Columbusse,

die Vascos und Magellans?

 

Ohne die Pioniere der Medizin

mit ihren Selbstversuchen?

 

Was wüßten wir vom Kosmos

ohne  Raketen und Satelliten,

ohne Weltraum-Teleskope?

 

Mystiker der Sinn-Frage,

Abenteurer des Seins –

Euch sei Dank!

 

 

 

23.1.


 

Verfallsdatum

 

Ein Datum

auf einer Konservendose

x-beliebigen Inhalts zum Verzehr.

 

Im Leben

zeitlich gedehnt

für biologische Leistungen:

 

Menopause, Potenz,

Aufgabe beruflicher Tätigkeit,

Rückzug aufs Altenteil.

 

Das letzte Datum -

bleibt offen.

 

 

 

23.2.


 

Die Partitur

 

In der Partitur

meines Lebens

herrscht der Kontrapunkt.

 

Im Musik-Schaffen

eine hohe Kunst –

im Leben: der Widerspruch!

 

Er ist nur zu lösen

in ganzer Hingabe

an Glaube oder Ideologie.

 

Aber welche Institution

darf  über ihr Sekretariat

absoluten Anspruch

auf  Wahrheit und Gehorsam

rechtens erheben?

 

Religionen und Parteien

sind autoritär und totalitär!

FREIHEIT  allein im Gewissen!!

 

 

 

15.3.


 

Verweilen

 

Schaffender

will den Augenblick

verweilen lassen.

 

Festhalten, Einfrieren,

Erstarren:

in Plastik,  Gemälde, Aquarell…

 

Sichtbare Gestalt der Idee

im Bauwerk,

im Kunst-Gewerke.

 

Worte als Hagelkörner

aus der Gedanken-Wolke

im Geist-Gewitter.

 

Feuerzungen lodern

über gefügter Form

in Epos, Roman und Poesie…

 

 

 

15.3.


 

Der Hamster

 

Welche Augenblicke

flüchtigen Lebens

fliehender Tage

 

wollen wir in die Seelen-Scheuer

für den Winter der Erinnerung

sicher sammeln?

 

Die Felder der Gegenwart

sind immer bestellt:

Körner in Fülle zu hamstern!

 

Zwischen den Zähnen der Zeit

zum Kauen und Keimen,

zu Rückruf ins Gedächtnis.

 

War ich hortender Hamster

oder singende Zikade

mit Grillen im Sinn?

 

 

 

17.3.


 

Mittag

 

Die Mittags-Sonne

glüht

breiten Silber-Teppich

auf glitzerndes Meer.

 

Judas Silhouette

im Dunst-Schleier.

 

Nahe Vogel-Laute übertönen

fernes Maschinen-Geratter

im Hörbereich.

 

Sonnen-Anbeter

an Strand und Pools:

dort liegen

die Hirne brach.

 

Nur im Schatten

tropfen

ein paar Worte.

 

 

 

17.3.


 

Sonnen-Adler

 

Der aufgescheuchte Sonnen-Adler

ist übers Gewölbe

einsam gekreist.

 

Er hat

das Gesetz seiner Bahn

nicht verletzt.

 

Als Willkür-Opfer

des Himmels-Auges

blieb ich im Schatten-Schutz.

 

Hinterm Horizont

sein Hort:

das Meer der Stille.

 

 

 

17.3.


 

Alphabet

 

Wir enden

unser Lebens-Alphabet

nie beim Zett!

 

Nur „Früh-voll-endete“

erscheinen

im Nachruf.

 

Initialen purzeln

als Nudel-Buchstaben

in der Hühner-Suppe:

 

H  wie Hunger

L  wie Liebe

A  im genetischen Muster.

 

Wir enden

beim T  wie Tod –

S  wie Stein aufs Grab.

 

 

 

18.3.


 

Atlantis

 

 

Die versunkene Insel

auf dem Meeresgrund

meines Lebens.

 

Fruchtbarer Nil-Schlamm

überschwemmte jährlich

brachige Ufer.

 

Nun sind sie

Oasen der Erinnrung

im Palmenhain.

 

Die Trauer-Arbeit des „vorbei“

im glücklichen Atemzug

eines  „noch“….

 

Als Archäologe meines Atlantis

beschwöre ich die Geister

im Phantom-Schmerz verflossener Zeit.

 

 

 

18.3.


 

Der Architekt

 

Ein Leben lang

müssen wir

uns selbst erschaffen!

 

Und die Arbeit

geht nicht aus:

 

bis zum Feierabend,

wenn

das letzte Tagewerk vollbracht!

 

Wir schaufeln den Sand,

mischen Mörtel,

setzen die Ziegel.

 

Aufgezeichnet im Buche des Lebens

oder in Anthologien der Architektur:

Kate, Villa, Schloß, Palast….

 

 

 

18.3.


 

Pegasus

 

Mein Pegasus

hat lange

nicht gewiehert.

 

Gefilde der Poesie

liegen brach.

 

Als träger Acker-Gaul

reißt er keine Scholle

im kargen Boden.

 

Als schlanker Lippizzaner

tanzt er keine Pirouetten.

 

Als alter Klepper

wird er zur Schinder-Mähre –

ohne Galopp in Ascot.

 

Hoffen

auf frischen Hafer!

 

 

 

23.3.


 

Pharmakon

 

WORTE  sind Klang-Körper,

dem Odem der Seele

enthaucht.

 

Sie tragen LICHT

als Welle oder Korpuskel

zum Empfänger.

 

Im Einatmen

der Licht-Medizin

schwindet alles Düstere.

 

Phos-phor, Luzi-fer,

der Lebens-Träger.

Die Dosis zum Heil –

 

Als Mittler der Energie

zu zellulärer Lebenskraft

mit dem Komplizen Adenosin.

 

 

 

24.3.


 

Das Echo

 

Poesie  -

das melodiöse Echo

von Bergen und in Auen

einer Außenwelt.

 

Sanfte Töne

instrumentalen Schalls

oder Rufens und Flüsterns

einer übervollen Seele.

 

O Freunde der Quelle:

ihr vernehmt nur im Ruf

das  Namens-Echo

des Bürgermeisters von Wesel!

 

Das Echo der Innenwelt

als verkürzte Botschaft

gleich einem „I“ ohne Punkt.

Denkt euch den Rest.

 

 

 

26.3.


 

Intergalaktisch

 

Als vagabundierende Sonde

die Weltraum-Galaxien

vielsprachiger Literatur

zu sichten und genießen

erkunde ich

Sonnen, Pulsare, Quasare…

 

Auf manchem Planeten

lasse ich mich nieder

im belebenden Gamma-Strahl

oder suche den Schatten

greller Licht-Quanten.

 

Der cerebrale Sprach-Computer

ordnet die Signale

der Buch-Teleskope.

 

 

 

28.3.


 

Der Schraubstock

 

Im Schraubstock  SPRACHE

wird der Gedanke

zurecht-gefeilt.

 

Grammatik

als Grundschablone

zur korrekten Aussage.

 

Feilen und Stichel

als nötige Werkzeuge

fürs Grobe und Feine.

 

Die Werkbank für den Federkiel

ist heute der Laptop,

Schreibmaschine abgelöst.

 

Hätt´ ich nur Feil-Späne

von Shakespeare´s Sonetten

oder Goethes „Über allen Gipfeln“.

 

 

 

29.3.


 

Der Elfer

 

Die zwei Einser

haben es schon in sich:

 

Goethes Lieblingswein

und Kometenwein von 1811.

 

Dazu noch „Nine /Eleven“:

Terror und Tod.

Die Angst des Tormanns

vor dem Elfmeter!:

 

das Foul im Strafraum

als Chance zum Sieg.

 

Als Primzahl

noch im närrischen  Elfer-Rat.

 

Elfter-Elfter-Elfuhr-Elf:

Helau und Alaaf!

 

 

 

22.5.


 

1934

 

Urzeitlicher Liebesakt

des jungen Paares:

Leben soll leben!

 

Im uterinen Marathon

findet erschöpftes Spermium

siegreich sein Ziel

in mütterlicher Tube.

Durchdringen der Ei-Hülle,

zwei halbe Erb-Sätze

einen sich:

mein Urknall!

 

Eine befruchtete Zelle

wird Feuerwerk

chromosomaler Energie!

 

Unsterbliche Seele???

 

 

 

23.5.


 

Kreuzigung

 

Ich muß

mich selbst

erlösen.

 

Meine Seele

ist

auf Papier genagelt.

 

Hirnströme und Gedankenblut

fließen

aus den Wunden.

 

Die Lanze Wahrheit

sticht

ins zuckende Herz.

 

Essig und Galle

trink ich

vom Schwamme Welt.

 

 

 

23.5.


 

Pyramiden-Ruhe

 

Auch wenn man mich

in der heiligen,

innersten Halle

der Cheops-Pyramide

zu letzter Ruhe legte…

 

was wäre gewonnen?

Auch der schönste Sarkophag

enthielte nur Staub,

Sternenstaub,

des großen Pharao –

 

oder den meinen!

Auch Steinquader,

kunstvoll geschichtet

als Hülle gewesenen Lebens,

werden verwittern!

 

Mythen eines Lebens

nach dem Tode!

 

 

 

30.5.


 

Der Kuß

 

Die weiche Lippen-Umhege

der Sprach-Zitadelle

erwartet heißen Besuch!

 

Von der Zähne Zinnen

lösen sich Wort-Pfeile

vom sehnsucht-gespannten Bogen.

 

Die wendige Zunge

umspielt die feuchte Arena

zur großen Parade.

 

Zärtliches Flüstern

geladener Gewehre,

Donner der Haubitzen.

 

Klapperndes Schnäbeln

auf dem Kirchturm-Nest.

Leben zum Leben!

 

 

 

7.6.


 

Die Arche

 

In meine Arche

habe ich

viele Dichter versammelt.

 

Als lesender Noah

hole ich mir

nach Lust und Laune

so manchen hervor.

 

Über die Sprache

lasse ich mir

die Seele streicheln.

 

Der Hauch des Geistes

bläht die Segel

zu meiner Fahrt

auf dem Meer der Poesie.

 

 

 

13.6.


 

Erhellung

 

Ich mische

die Hefe in den Teig,

nährendes Brot

aus Worten zu backen.

 

Ich erwarte

die lohende Feuerzunge,

im Netzwerk der Gedanken

die Botschaft zu lösen.

 

Die Linse inneren Auges

sammelt die Früchte

gebrochenen Lichtes

im Prisma der Seele.

 

Ihr Fermente des Lebens

laßt mein Inneres gebären:

Moder zu Humus,

Reife der Erhellung.

 

 

 

13.6.


 

Feuer

 

Heiliges!

Beständige Lichtglut

arischer Zoroastrier.

 

Heiliges!

Im römischen Tempel

in der Vestalin Schutz.

Heiliges!

Als Flammenzunge

im Geistes –Erguß!

 

Sonnen-Quelle

von Licht und Wärme:

Spender und Nichter!

 

Helios und Aton.

Quoniam  Deus lux est.

Finis  -  Cinis!

 

 

 

13.6.


 

Licht-Fahrt

 

Da liegt es –

das Wort –

als nackter Leichnam!

 

Ich erwecke es

zu neuem Leben,

bekleide es.

 

Steht auf, meine Kinder,

zum Reigen der Welt:

wir feiern das Sein!

 

O Sonne,  o Licht,  o Feuer:

Liebe und Leben:

es pocht das Herz.

 

Seele  -  spann die Segel:

wir fahren

übers Meer der Zeit.

 

 

 

13.6.


 

Freiheit

 

Schmied

Und glühendes Eisen

sein.

 

Auf dem Amboß Welt

wirst du

in Form gehämmert.

 

Du selber

schwingst den Hammer

mit gezähmter Wucht.

 

Doch

welch gültige Gestalt

dem Werkstück am Ende?

 

Der Tod

nimmt es in die Zange:

läßt es zum Kalten zischen.

 

 

 

23.6.


 

Der Fall-Apfel

 

Was denkst du

im Gedenken

der toten Eltern?

 

Du bist der Nächste!

Bist

der sich rötende Apfel

am Baume des Lebens –

 

der Fäulnis entgegen reifend!

Vorausdenkend

sehe ich mich

verwesend im Grase.

 

Das Glück,

noch Wespen und Schimmel

Nahrung zu sein.

 

 

 

23.6.


 

Abend

 

Die Amsel drüben

jubiliert

ihr Abendlied.

 

Ihr schwarz Gewand

wirkt feierlich

in der Akazie Grün.

 

Die Sonne

strahlt

ihren Abschied.

 

Der Himmel erbarmt sich –

wolkenlos nun –

im heiteren Blau.

 

Spiegelndes Glas am Turm

frohlockt blendend

auf luftiger Höhe.

 

 

 

23.6.


 

Grauzone

 

O  Ahn:

da streiten Paläontologen,

ob man dich –

so du heute auftauchtest –

in Zoo oder Schule schickte.

 

Dichtes Dunkel

im Ursprung des Geistes!

 

Sind Faustkeil, Figürchen

und Höhlen-Malerei

verläßliche Zeugen

unsterblicher Seele?

 

Der Wolf im Menschen

ist noch lange nicht gezähmt!

Trügerische Hoffnung

auf Lohn oder Strafe…

 

 

 

20.9.


 

Herbst

 

Der Maler Herbst

nimmt seine Palette

in die kühle Hand.

 

Grün in allen Nuancen

darf nun fehlen:

es wird verwandelt!

 

Gelb hat den Vortritt

bis es in Ocker

und zur Röte gleitet.

 

Nach saftigem Frühlings-Grün

nun fröhliche Farben

zum Troste des Sterbens.

 

Botanische Wandlung:

Chlorophyll zu Anthocyanen –

und wir….???

 

 

 

24.9.


 

6.Akt

 

Das klassische Drama

endet mit dem 5.Akt.

 

Das Lebens-Drama

im Tode desgleichen.

 

O  Mensch,

der du ewiges Leben

und Auferstehung glaubst:

 

Du gleichst

dem ermordeten Spieler,

 

Der zum Schluß-Applaus

vor den Vorhang tritt.

 

Herz und Feder

auf der Waage im Gleichgewicht:

ewige Seligkeit…???

 

 

 

29.9.


 

Freiheit

 

Heisenberg –

du gabst uns die Welt-Formel.

 

Küng –

du mühst dich ums Welt-Ethos!

 

Religionen –

ihr laßt alles SEIN  sein,

als Emanation herausfließen,

als Akt eines Schöpfers gelten.

 

Und meine ICH-Formel?

Meine Identität und Befindlichkeit?

 

Wer hat an mir/mich gebaut?

Wechselspiel von Zufall und Wille!

 

Genen und historischem Index

ist biographisch nicht zu entfliehen.

 

 

 

3.10.


 

Totenbücher

 

Man lese und schätze

die Weisheit der ägyptischen.

 

De mortuis nisi bene –

think positive –

trotz recto und verso.

 

In Schlössern die Ahnengalerie –

bebildertes Gedenken.

 

Ammonit und Schneckengehäus

im Kalkgestein –

paläo – anthropo – logische Knochenfunde.

 

Und wen lasse ich revue-passieren

in meinem Nekrolog?

 

So viele in ihrer Einmaligkeit

sind schon über den Acheron gefahren.

Leibliche und geistige Begegnung.

 

             R.i.p.

 

 

 

17.10.


 

Epitaphe

 

Ich schlendere

gedankenvoll

über den eigenen Friedhof.

 

Ich pflüge

in Erinnerung

meinen Gottesacker.

 

Ich erstelle

eine virtuelle Mauer

von Sandstein-Tafeln.

 

In Stein gemeißelt

verbleibendes Gedenken

gelebter Begegnungen.

 

Nur zwei Generationen zurück:

vom gefallenen Großvater

nur die Fotografie.

 

 

 

17.10.


 

Westminster

 

Diese Abtei ist nur

mit Schauder zu betreten –

Ehrfurcht gebietend.

 

Man durchstreift die Halle

am Rande des Abgrunds

wechselhafter Geschichte.

 

Sarkophage, Epitaphe –

Vergänglichkeit vor Augen.

„Dem unbekannten Soldaten“.

 

Poets Corner –

Ehrentafel und Grabplatte

den geistigen Schmieden der Nation.

 

Hier als Poet geehrt zu sein

ist mehr als ein Nobelpreis –

auch für Newton und Darwin.

 

 

 

17.10.


 

Der Garten

 

„Il faut cultiver son jardin.“

Das Paradies – ein Eden.

Die Seele – ein Garten.

 

Es sind viele Beete

sorgsam zu pflegen,

mit Lebenswasser zu gießen!

 

Ranken am Rande,

der Rosen Farbenpracht

und berauschender Duft.

 

 

 

17.10.


 

Der Faden

 

Meine Spinnenmutter

hat meinen Lebensfaden

begattet gesponnen.

 

Die Amme hat

die Nabelschnur durchschnitten –

die Norne wird am Ende

zur Schere greifen.

 

Ob Seide oder Hanf,

gezwirbelt oder geflochten –

ich hangle daran

über die Spanne Zeit.

 

Dunkel vor dem Anfang,

Nacht nach dem Schnitt.

Aufs Rad meiner Jahre

zur Verwesung gehaspelt.

 

 

 

17.10.


 

Auferstehung

 

Leben –

nach dem Tode –

in welcher Form?

 

Wird unser Da-Sein

zu einem Dort-Sein?

 

Der Gedanken-Strich:

die Schwelle,

über die jeder getragen wird!

 

Und ist illusionäres Dort

nur der Abgrund des Nichts?

 

Ist schon das Da-Sein

über die Wander-Jahre

dunkel genug!

 

O ihr Glaubenskünder

verheißungsvoller Religionen!

 

 

 

18.10.


 

Euthymia

 

Nein, ihr nehmt mir

meine Wohlgemutheit nicht!

 

Mein eigener Urknall

im November 1934

im Eileiter meiner Mutter.

 

Neun Monde

paradiesischer Seligkeit

bis zum ersten Schrei –

aus Unlust oder Freude??

 

Die wechselhafte Wanderschaft

über irdischen und geistigen Globus

in die Wolke des Nichtwissens.

 

Aus tiefstem Dunkel

der Aufstieg zur Schwelle

vor Nacht und Nichts.

 

 

 

1.11.


 

Der Maikäfer

 

Wir werden nicht

von Mäusen und Igeln gefressen,

nicht vom Maulwurf als Engerling.

 

Wir sterben im Tsunami,

im Crash von Auto oder Flieger,

in archaisch blutigem Krieg.

 

Wohl dem, der sich

in der Sattheit seiner Jahre

zu den Vätern legen kann.

 

Aus Sternenstaub

galaktischer Wolke geformt

zum geschenkten Leben.

 

Der Tod zermalmt den Käfer:

wir sind Brüder

und kehren in Staub zurück!

 

Aschermittwoch ist täglich!!!

 

 

 

1.11.


 

Die Null

 

Sie sei

eine geniale

Erfindung aus Indien!

 

Sie ist

Zentrum des Koordinatensystems,

damit der Grenzpunkt

positiver und negativer Zahlen.

 

Sie ist

das Symbol des Nichts!

 

Sie ist

die Todes-Bestätigung,

wenn die EKG-Zacken

zur Null-Linie werden.

 

Du bist

eine Null  -  endgültig!!!

 

 

 

3.11


 

Das Buch

 

Das große, dicke, geheimnisvolle

Buch des Lebens mit sieben Siegeln,

welches nur das Lamm öffnet?

 

Nein,

das Buch meiner Tage,

mit noch leeren Seiten.

 

Eines Tages

werde ich

die letzte beschriften.

 

Format oder Einband?

Taschenbuch oder Paperback?

Leder mit Goldschnitt?

 

Ein Leben –

im Antiquariatswert

für Bibliophile.

 

 

 

26.11.


 

Der Selbstdenker

 

Ich kann es mir leisten,

so vor mich hin zu denken!

 

Ich gehe im abendländischen Walde

so vor mich hin

und pflücke meine Reizblätter

von den Bäumen,

 

die Philosophen, Theologen,

XXL-logen und Literaten gepflanzt.

 

Ich steige täglich

in die Manege der Selbst-Befragung,

statt auf Freud´scher Couch

zur Analyse zu liegen.

 

Ich bin inzwischen

mit mir im Reinen.

 

 

 

2.12.


 

Der Denker

 

Dank dir, Rodin,

du hast ihn gestaltet

mit gestütztem Haupt.

 

„Don Carlos denkt“ –

so Domingo zu Alba:

Gefahr für Kirche und Staat!

 

„Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!“

Marquis Posa´s Forderung

bleibt stets modern!

 

Caesar bei Cassius´ hohlem Blick:

„Er denkt zu viel:

die Leute sind gefährlich!“

 

„Cogito  -  ergo sum!“

Descartes, du hast es erfaßt:

Als Denkender  -  ein Seiender!

 

Dubito  -  ergo sum!

 

 

 

9.12.


 

Himmelslicht

 

Liebe Gas-Wolke

inmitten unserer Galaxie –

welchen Heilsbringer

willst du uns künden?

 

Eilig hast du´s,

in den nächsten Jahren

ins schwarze Loch

selbst-nichtend zu stürzen.

 

Es wird dich

gierig schlucken  -

deine Materie himmelweit

leuchten lassen.

 

Die Magier des Alls

werden ihre Rohre putzen

und die Weisen des Abendlandes

ein neues Europa künden!?

 

(NZZ  15.12.11 – S.16)

 

 

 

15.12.


 

       Sicherheit

(oder 28.August)

 

Ich rufe

Goethe und Augustinus

zu Kronzeugen und Advokaten

gegen alle Wahrheits-Besitzer!

 

Strebendes Mühen

und unruhiges Herz

als Markenzeichen.

 

Faustens Wissensdurst

und Pilgerschaft im Absoluten

als tägliche Sinn-Suche.

 

Habt ihr keine Fragen mehr?

Wer keine Fragezeichen setzt

ist zur Salzsäule erstarrt

und lebt seinen geistigen Tod

 

Es gibt keine Sicherheit.

 

 

 

19.12.


 

Sein

 

Stille

umströmt mich.

 

Ruhe

breitet sich als Teppich.

 

Seele

spreitet die Flügel.

 

Sein

als einfaches Da-Sein.

 

Atem

als spürbares Leben.

 

Herz

als pulsierende Mitte.

 

Hirn

als denkendes: ich bin!

 

 

 

30.12.


 

Schweigen

 

„Ich bin ganz Ohr.“

„Wenn du stille wirst,

wird dir geholfen.“

 

Die tiefsten Erkenntnisse,

unsere Existentiale,

werden in der Stille zuteil.

 

Ich bin kein Pythagoräer,

gehöre keinem Geheimzirkel an,

wahre keine Arkandisiplin.

 

Ich gleiche

der geschwätzigen Elster

und stehle viel Glitzerndes.

 

Was nützt ein Wissen

im stillen Kämmerlein?

Mein Basar ist täglich offen.

 

 

 

1.1.12


 

Leuchtkäfer

 

Ihr Myriaden Glühwürmchen

hättet euch

auf Sinai´s Dornbusch

zur Hochzeits-Nacht getroffen.

 

Welch ein Leuchten

zum Schuhe-Ausziehen!

Flimmerndes Licht

soll zur Begattung locken.

 

Euer Leuchtstoff Luziferin:

welch teuflischer Name!

Und dennoch sagt die Schrift:

„Quoniam Deus LUX est!“

 

„Lumen Christi“ –

tönt es in der Oster-Nacht

in heiligen Hallen.

Ach, ich armer Käfer!

 

 

 

8.1.


 

Der Scholar

 

Ein Leben lang

ein Lehrling, ein Scholar.

 

Lernen aus Fehlern

und Mißlingen;

Freude am Erfolg.

 

Schulbank Tag für Tag:

lebendige Gegenwart

als unbestechlicher Lehrer!

 

Welches Gremium prüft?

Wer unterschreibt den Gesellen-Brief? –

Wer den Meister-Brief?

 

Wer zensiert, gibt Noten?

urteilt nur die Nachwelt,

ein Redner am Grabe?

 

„Der Schüler hat das Klassenziel

summa cum laude erreicht.“

(Grabinschrift).

 

 

 

30.1.


 

Gipfelstürmer

 

Der Jugend-Traum:

die vierzehn 8000er erstürmen!

Karakorum vor dir.

 

Schließlich werden

kleinere Brötchen gebacken!

 

K 2  in weiter Ferne;

erreichtes Basis-Lager

als Erfolg gefeiert.

 

Welches hehre Ziel

soll die Mühe lohnen?

 

Moralische Integrität

nach welchem Codex?

Weisheit und Humanitas!!

 

Der Tod schreibt

den Eintrag ins Gipfel-Buch.

 

 

 

3.2.


 

Der Blick

 

Blick

auf dich

vom andern Stern

oder vom Mond!

 

Und sieh,

welche Spielkugel

die deine gestoßen

auf dem Billard-Tisch WELT.

 

Ob Carambolage,

Pool oder Snooker,

du bist der Gestoßene,

fremdem Einfluß Unterworfene!

 

Erkenne,

wer und wie

man dich prägte:

so viele Leit-Figuren!!

 

 

 

3.2.


 

Zeitspanne

 

Da war ein Urknall,

da war eine Gaswolke.

Daraus eine Galaxie

mit Sonne und Planeten!

 

Auf der dritten Bahn

kreist unsere Erde.

Wir wandeln darauf.

 

Vor mir schon Leben,

doch ich  -  nicht gedacht.

 

In tiefem Hominiden-Dunkel

ein Eisprung, ein Liebesakt,

ein Spermium als evolutionärer Sieger!

 

Mein Urknall:

Verortung in Zeit und Raum.

Eingangsdatum auf dem Paß.

Ausgangsdatum auf dem Stein.

 

 

 

3.2.


 

Thesmophoria

 

Kommt, ihr Frauen Athens

und feiert die Fruchtbarkeit!

 

Ehret Demeter und Kore,

verneigt euch vor Persephone.

 

Nach Anodos´ Aufstieg

sei Nesteia als Fasten

asketische Pflicht.

 

So werdet ihr Kalligeneia

schöne Nachkommen gebären.

 

Steigt in die Megara,

holt die Ferkelknochen

unter die Saat zu mischen.

 

Neues Leben und Ernte

aus Tod und Verwesung.

 

 

 

5.2.


 

Der Lanzenstich

 

Aus meiner Rippe

wird keine Eva

erschaffen!

 

Ich schwitze

nur meine Worte

durch die Rippen.

 

Der Lanzenstecher Leser

wird wohl merken,

daß Blut und Wasser

aus dem Herzen fließen.

 

Ans Kreuz des Lebens genagelt

zitiere ich keinen Psalm,

wie könnte ich –

von Essig und Galle getränkt.

 

Aber auch glückliche Augen

haben das Schöne gesehen!

 

 

 

7.2.


 

Der Seismograph

 

Die Gedanken kreisen, kreisen

über Tausende Synapsen

auf existentieller Suche

nach letztgültiger Wahrheit.

 

Der forschende Geist

im Drehschwindel taumelnd

am Rande von Abgründen.

 

Der Schwindel als Vorstufe

tiefster Erkenntnis

vor dem Kollaps.

 

Verlust des Bewußtseins

im Sturz in den Kratersee,

den schwefligen Grund.

Der Vulkan schläft nur.

 

Was sagt der Seismograph?

 

 

 

7.2.


 

Das  Hämatom

 

Dichter, Schriftsteller, Autoren,

die dir nicht

als Schlägerbande begegnen,

 

die dir keine

seelischen Blutergüsse schlagen,

die lasse links liegen!

 

Deine weiße Seelenhaut

muß blaue Flecken tragen,

die dann in Farben schillern..

 

Wozu die Lese-Abenteuer

aus Gestrüpp und Urwald

von Lyrik, Essay, Roman, Journal –

 

wenn keine Kratzer bleiben!!

 

Du mußt

aus dem Dschungel-Camp Literatur

als ein anderer zurückkehren!

 

 

 

12.2.


 

Bernstein

 

Du glückliche Ameise:

Millionen Jahre bist du

im Harz archiviert!

 

Der freudige Finder

am Ostsee-Strand

bringt dich ins Licht!

 

Aus Milliarden Artgenossen

feierst allein du

Auferstehung.

 

Doch irgendwann

erfaßt Verwesung auch dich  -

wie mich…..

 

Edles Harz

nur eine Seite

im Buche des Lebens.

 

 

 

20.2


 

Die Weiche

 

Wir wollen

nicht voreilig sein:

erst mit der Pubertät

bist du

auf dein Lebensgeleis gesetzt.

 

Du fährst

weder Bummelzug noch ICE,

eher die einfache Draisine!

 

Nun ertüchtige dich

und zieh den Knüppel!

Das Tempo wird wechseln.

 

Irgendwann

die erste Weiche:

du mußt entscheiden wie Herakles.

 

Wer gab dir Rat?

Wer formte deinen Willen?

Es folgten viele Weichen…

 

 

 

24.2.


 

Der Feigenbaum

 

In jugendlichem Eifer

wähnst du dich in Eden,

am fließenden Wasser

von Euphrat und Tigris.

 

Die großen Blätter

decken die Blößen

von Geist und Seele.

 

Ein paar Früchte

grünen und blauen

zur Reife.

 

Du bietest sie den Nachkommen,

den Freunden, der Welt!

 

Doch dann sind die Äste dürr.

Von der Axt gefällt

bleibt nur das Feuer!

 

 

 

22.3.


 

Das Treibhaus

 

Wir sitzen im Glashaus –

schmeißen keine Steine!

 

Die Welt

ist unser Treibhaus:

aus Glas gebaut!

 

Alles muß durchsichtig sein,

alles muß schneller treiben.

 

Unsere Zeit-Konstante:

die Drehung der Erde

um sich selbst.

 

Doch Tag muß schneller herbei:

wir verstellen die Uhren!

Wir armen Getriebenen.

 

 

 

22.3.


 

Das Museum

 

Dein Hirn erinnert alles,

auf Befehl,

nichts geht verloren.

 

Irgendwann tritt

längst Vergangenes

ans Tageslicht.

 

Der Museums-Direktor

trifft die Wahl

des Erhaltenswürdigen.

 

Experten liefern Kriterien:

Daumen rauf oder runter –

für die Nachwelt.

 

Galerien, Bibliotheken, Lexika:

Veraltetes ins Magazin:

heute siegt die Gegenwart

oder der Zeitgeist!

 

 

 

22.3.


 

Der Schatten

 

Von der Sonne der Gerechtigkeit

durchleuchtet,

werde ich einen Schatten werfen:

schwarz oder weiß?

 

Schwarz mit hellen Flecken?

Weiß mit dunklen Makeln?

Zebrenhaft gestreift?

 

Prismenhaft

in Farben schillernd?

Wer weiß?

 

Vestimenta eius sicut nix?!

Astral-Leib oder Schatten-Reich?

Wahrheits-Tröster

von seligem Leben in Ewigkeit!

 

Was soll der Pianist,

wenn sein Flügel zerstört?!

 

 

 

25.3.


 

Die Kränkung

 

Kränkungen der katholischen Kirche

im Laufe der Geschichte –

doch wo die Korrekturen?

 

Die hausgemachten

innerkirchlichen Spaltungen,

Schismen, Häresien, Reformation.

 

Kopernikanische Wende:

die Erde nicht Mittelpunkt,

nicht Nabel des Alls!

 

schließlich Darwin!

Kant auf dem Index,

die Aufklärung dazu!

 

Genesis ist neu zu denken!

Freud und die Analyse!

Heute noch die Hirnforscher!

 

Entlarvung der Mythen:

Deutung der „condition humaine“.

Selbst „Omega“ eine Illusion!

 

 

 

26.3.


 

Urfrage

 

Du wirst

als weiches Wachs geboren,

dein Gen-Set im Gepäck.

 

Im Laufe des Lebens

drücken sich

die Prägestempel ein:

 

Menschen, Orte, Länder,

Sprachen, Ereignisse,

Begegnungen…

 

Schließlich ausgeliefert

den Phasen der Distanzierung:

alles wird frag-würdig!

 

Wir nennen

diese Zeiten innerer Unruhe

Pubertät, midlife- und endlife-crisis.

 

Was sollte das Ganze?

Die Frage nach dem Sinn

stellt alles in Frage!!

 

 

 

3.4.


 

Eines Tages

 

Eines Tages

bist du flügge:

mußt für dich selber sorgen!

 

Eines Tages

stehst du auf eigenen Beinen,

 

Auf einmal

hast du viel Zeit

und Freiheit zu verantworten.

 

Bis-

eines Tages ….

 

 

 

6.4.


 

Die Balz

 

Dank dir, Mutter Natur

für so viel Freude,

für Ohren – und Augen-Schmaus.

 

Wie jubilierte die Amsel

heute Morgen in der Früh!

Wie piepten die Meisen.

 

Der Auerhahn entzog sich mir

wie auch der röhrende Hirsch;

bleibt ordinäres Tauben-Gurren.

 

Doch gedenken wir des Pfaus:

er schlägt sein Rad

mit des Gefieders Pracht.

 

Welch ein Luxus:

nur der Erwählten zu gefallen!

Denn zum Fliegen ist kein Nutz!

 

Genießen wir diesen Mehrwert.

Gleich wie die Poesie

über nackter Sprache.

 

 

 

6.4.


 

Das große X

 

Ob du

auf einer Adler oder Olivetti

dein Leben

in die Maschine tippst,

 

du vertraust

auf die Treue der Buchstaben,

auf die Zeichen der Sprachlaute.

 

Das  „e“  ist unverwüstlich,

häufigster Vokal,

fast zerreißt es das schwarze Band.

 

Die Konsonanten scharen

sich um diese Mitte,

neidisch blicken  „a“ und „o“.

 

Vom Alpha deiner Geburt

zum Omega deines Endes

genügend Anschläge.

 

Der Sieger ist das  „X“,

Zeichen des Auslöschens:

du wirst einfach ausge – x-t.

 

 

 

13.4.


 

Der Eisberg

 

Der sichtbare Teil

der schwimmenden Eismasse

sei nur 1/7 oder 1/8 gar.

 

So sei es auch mit uns!

Das bißchen Bewußtsein

für das wir uns halten,

ragt in den Tag;

 

das Unbewußte

unter der Oberfläche

bleibt in triebhafter Nacht.

 

O  grande profundum homo!

Was bestimmt das Handeln?

Freier Wille?

Hormone, Synapsen?

 

Wir tanzen auf der Titanic,

wir treiben auf dem Lebensmeer

zur eigenen Schmelze.

 

 

 

14.4.


 

Die Flasche

 

Der Geist des Lebens

ist in der Flasche

aller Sprachen!

 

Du brauchst nur Mut,

den Korken zu ziehen!

 

Wohlgeruch der Poesie

wird dich umströmen:

du findest dich im Paradies.

 

Jedes Wort –

eine duftende Blüte:

 

Sei die summende Biene,

sauge den Honig

und schwänzle vor Behagen!

 

 

 

23.4.


 

Das Konzert

 

Ich sitze

ohne Billett

im Konzertsaal der Natur.

 

Ich lausche

dem Zwitschern und Piepen

einer Vielzahl von Vögeln.

 

Ich staune

über unsichtbaren Maestro

ohne Stab.

 

Ich höre

die Vogel-Symphonie

als Hochzeits-Melodie:

 

Hohes Lied unserer Mutter

als harmonisches Spiel

kosmischer Liturgie.

 

 

 

28.4.


 

Weltreise

 

Jeden Morgen –

schon beim Frühstück –

breche ich auf zur Weltreise.

 

Ich kann gemütlich

am Tische sitzen,

den Tee genießen.

 

Journalisten arbeiten

für Agenturen und Blätter

in aller Welt für mich.

 

Bild, NZZ und FAZ

berichten über alles –

und ich bin dabei

als ob ich dabei wäre!

 

 

 

6.5.


 

Der Daumen

 

Im alten Rom:

Daumen rauf oder runter:

dem Gladiatoren Leben oder Tod!

 

Heute zum Zeichen:

„einverstanden“,

„das hast du gut gemacht!“

 

Als kleiner  „Däumling“

bis ins Märchenbuch!

 

In der Gliedertaxe

hoch bewertet:

 

man könnte ja nicht greifen,

simsen, telefonieren, spielen,

die kleinen Tasten tippen!

 

 

 

9.5.


 

Kielwasser

 

Auf meinem Lebens-Schiff

fahre ich

auf dem Ozean Welt

in Richtung Hafen.

 

Auf hoher See

zeigt das Kielwasser

die Fahrtenspur.

 

Wellengekräusel

im großen Dreieck

verliert sich irgendwann.

 

Kein Geplätscher schlägt

an ein Ufer:

der Horizont ist weit!

Was habe ich bewegt???

 

 

 

9.5.


 

Die Wabe

 

Das schöne Gedicht

ist eine Wabe:

 

der fleißige Bienengeist

hat Honig gesammelt.

 

Pollen und Nektar

bunter Wort-Blüten

 

werden zur Botschaft

in süßem Seim.

 

Bin Biene und Imker

zugleich.

 

Leser  -  werde

Nach-Denker und Genießer!

 

 

 

12.5.


 

Die Fußnote

 

Wer oder was

bist du

im  „Buche des Lebens“?

 

Die Großen der Menschheit –

wer sind sie? –

schmückt

eine große Initiale den Namen.

 

Schon lautloser „Schrei“

genügt zum Ruhm,

zum Staunen im Museum.

 

Doch wir Kleinen

sind nur Fußnoten

zu Fußnoten

von Fußnoten

zu Fußnoten

……..

 

 

 

20.5.


 

Der Talon

 

Mit der Geburt

ist die ein Talon geschenkt:

für jeden Tag eine Karte!

 

Eines Tages

ziehst du eine  „Drei“

und sagst  „Ich“.

 

Mit der  „Zehn“

kannst du

schreiben und rechnen.

 

Die Herz-Dame überrascht:

du bist König,

die Asse stechen.

 

Vier Buben zum Grand,

dazwischen die Karo-Tochter.

Wieviel Karten noch??

 

 

 

20.5.


 

Jetzt

 

Welch ein Donnerwort!

 

Die unmeßbare Spanne

zwischen dem

Noch-Nicht  und  Nicht-Mehr!!

 

Diess NU

in zwei Buchstaben nur,

im Latein ein nu-nc.

 

Die Kehrseite der Medaille:

das andere Gedonner:

Ewigkeit!

 

Philosophen und Theologen

reden vom  „nunc stans“.

 

Der Zeiger der Zeit

sei einfach stehen geblieben.

 

 

 

21.5.


 

Dank

 

Wie könnte je

den Eltern gedankt werden!?

Triebgesteuert liebevoll

ins Dasein gerufen!

 

In Erfüllung

evolutionären Imperativs!

 

Zuerst der Mutter,

die neun Monde

das neue Wesen gebildet,

in die Welt gepreßt,

gesäugt und gesäubert.

 

Dem Vater der Dank,

ihm in seinen Genen

und unseren Söhnen

weiteres Leben zu schenken.

 

Auferstehung: genetisches Ostern

von Generation zu Generation.

 

 

 

27.5.


 

Vielleicht

 

Jede Medaille

hat zwei Seiten.

Gilt auch allgemein!

 

Vielleicht

ist es so  -

oder auch anders?!

 

Bloße Information ist leer:

Sinnfrage und Lebensentwurf

verleihen Bedeutung.

 

Sie wandeln ihre Wertigkeit

im Laufe des Lebens

durch gesunde Skepsis.

 

Vermeintlich sicherer Wahrheits-Besitz

wird durch Anfechtung und Zweifel

wiederholt in Frage gestellt.

 

Den Zweifel bezweifeln

ist regressus in infinitum:

Luft-Tanz auf dem Seidenfaden,

da alle Götter schweigen.

 

 

 

30.5.


 

Sprache

 

Die Sprache  -  eine Pforte:

das Geist-Kamel

trägt die Worte.

 

Meine Wahrheit hinaus,

die Weisheit der Welt

zu mir herein.

 

Jedes Wort eine Blüte:

in der Reife die Frucht:

Beere, Kirsche, Apfel, Nuß…

 

Genieße das Seelen-Obst,

mißachte Wurm und Schimmel:

dazu ist noch Zeit.

 

Rast in der Karawanserei.

Wir ziehen von Oase zu Oase:

Palme  -  wirf mein Dattel-Wort!!

 

 

 

11.6.


 

Der Insulaner

 

Die einsame Insel:

Asyl, Refugium, Eden?

Ort der Rettung

oder seligen Verweilens?

 

Die Charakterfrage:

„was nähmen Sie mit ?“

Bibel, Platon, Dante  -

Shakespeare oder Goethe??

 

Wie Noah die Tiere

in seine Arche nahm,

so füllte ich Container-Schiffe

mit musealen Schätzen:

 

ganze Bibliotheken,

British und Metropolitan Museum,

Louvre und Eremitage …

 

Dazu vor allem viel Zeit

und hell-wachen Geist!

 

 

 

11.6.


 

Die Ähre

 

Lebenszeit:

eine große Ähre:

jeder Tag ein Korn!

 

Nun pflanze es

in deine Seele,

laß es sprießen!

 

Und es werden

neue Ähren

zu Korn und Mehl.

 

Dann backe

dein Brot

für Geist und Leben.

 

So ist keine Not –

nur am Ende:

der Tod…

 

 

 

12.6.


 

Kündigung

 

Mit deiner Nistung

in der Mutter Uterus

erhältst du den Miet-Vertrag.

 

Du bestätigst

nach der Geburt

mit dem ersten Schrei:

 

Als Mieter des Lebens

pilgerst du deine Jahre

über diese Welt.

 

Sie schenkt dir

Arbeit und Mühsal,

Freud und Leid.

 

Du genießest

Augenblicke von Glück,

lebst in Zufriedenheit.

 

Im Aushauch

der Tod die Kündigung:

Auszug ins Erd-Nest.

 

 

 

2.7.


 

Hathor

 

Gehörnte Himmelsgöttin

mit den Kuh-Ohren –

so steige aus Horus` Palast.

 

Deine Sonnenscheibe

spiegle uns Licht

göttlicher Weisheit!

 

Schenke dem Juden

das Gehörn als Schofar,

zu Jahwes Lob.

 

Doch mir gönne

Met und Nektar

daraus zu trinken.

 

Gewandelt die Form:

welche Töne

zu Spiel und Tanz!

 

Schwester Aphroditen führ ich

zum himmlischen Walzer

am Nil und auf dem Olymp.

 

 

 

3.7.


 

Das Buch

 

Das Leben

ist ein Geschäft!

Wir haben den Auftrag,

es zu leben!

 

Jeder Kaufmann

führt Buch:

zwei Spalten:

Soll und Haben!.

 

Wie kommt es,

daß kaum jemand

sein Journal führt?!

 

Abendliche Gewissens-Erforschung?

Geistliche Tages-Bilanz?

Ich will es schriftlich!!

 

 

 

10.7.


 

Der Notschrei

 

Meine Gedichte als Notschrei:

Identität zu wahren

oder zu finden:

mühsam genug!

 

Das arme Ich,

nahezu schutzlos

Mächten und Kollektiven

hilflos ausgeliefert.

 

Die Eltern

meinen es noch gut

mit sorgsamer Erziehung

nach ihrem Bild und Gleichnis.

 

Doch dann rollen die Wogen

an dich heran:

Schule, Kirche, Staat…

alle zu deinem Wohle!!

 

Trotz allen Mühen –

du bleibst ein Torso!

 

 

 

11.7.


 

Mein Nicht-Leben

 

Ich war nicht –

und werde nicht sein!

 

Ich öffne die Ader,

lasse Wort-Blut fließen.

 

War ich in Platons Sinn

eine Idee imaginären Gottes?

 

Bin ich die Inkarnation

göttlichen Gedankens?

 

Da hat eine junge Frau

ihren Eisprung und liebt:

 

aus Millionen erreicht

ein einziges Spermium sein Ziel:

 

mein Urknall!!

 

Bin ich Fixstern, Planet, Mond, Asteroid

in geschichtlicher Zeit?

 

Als Meteorit verglüht:

es gab eine Idee …

 

 

 

17.7.


 

Helix pomatia

 

Wie gleichen wir doch

der Weinberg-Schnecke!

 

Auf der Schleimspur

schaben wir

mit der Raspelzunge

unsere Geist-Nahrung.

 

Ring für Ring

bauen wir das Haus:

Gebäude der Gedanken.

 

Wir sind zwar keine Zwitter,

doch flammt der Liebespfeil

im Flirt aus den Augen.

 

Naht der Winter –

schließt der Deckel aus Kalk

das Sarg-Gehäuse.

 

 

 

27.2.


 

Seelennot

 

Wenn vermeintliches Gebet

zum Selbstgespräch wird,

hat sich wohl

der Adressat verflüchtigt.

 

Der Sternenhimmel schweigt,

gespenstische Stille im All,

der Vorhang im Bundeszelt

eine feste Mauer.

 

Gewißheit meines Daseins

in der Rede mit mir selbst:

Dialog der Seele

mit sich!

 

Was haben wir

uns zu sagen?

 

Flüchtige Augenblicke

festhalten im Wort!

Freud und Leid

aller Poeten.

 

 

 

28.7.


 

Die Filmrolle

 

Wie lang

ist die Filmrolle

meines Lebens?

 

Ich lasse sie

gelegentlich abspulen

im Hirnareal der Erinnerung.

 

Ich rufe

Episoden herauf

und gewichte sie:

 

Bestätigung oder Irrtum,

Abwarten weiterer Entwicklung.

Mögliche Korrektur?

 

Geistige Flaute

verführt zum Rückblick!

Horizont in weiter Ferne.

 

Ich sitze im eigenen Kino:

von Infrarot bis Ultraviolett

durchleuchtetes Celluloid.

 

 

 

2.8.


 

Bel – vedere

 

Da stehst du,

träumst versunkenen Welten nach.

Es rauschen der Damen Gewänder

noch knisternd durchs Gemach.

 

Prunk und Putz,

Gips und Gold-

welch ein Glast –

doch Abglanz nur:

 

Ein Hauch

vergangener Zeit

und Wirklichkeit.

 

Bel-vedere –

schöner Ausblick

in Zeit und Ewigkeit.

 

 

 

1980 ?


 

Golondrina

 

Man muß sich

den Wohlklang für Schwalbe

im Ohre klingen lassen!

 

Hirondelle und Rondinella

zwitschern zum Flug,

spreizen den Gabelschwanz.

 

Unterm Dach das Nest gebaut,

wo der Dompfaff,

das Pärchen getraut.

 

Das andere im Stall:

Lehmkügelchen-Nest.

Fliegen in Fülle

zur Atzung der Brut.

 

Kommt eine zurück –

ist noch kein Sommer.

Italiens Vogelfängern entwischt

erfreut euer Spiel im Licht.

 

 

 

3.8.


 

Herbstlaub

 

Das Gezweig

wilden Weines

rankt am Gemäuer

meines Leibes herauf.

 

Das Gelaub hat schon

mein Seelenfenster

kühn erreicht.

 

Herbstrote Blätter

wedeln verfließende Zeit.

Schon fällt

eines ums andere.

 

Der Blick hinaus

verklärt Vergangenes.

Künftiges bleibt

im Nebel des Ungewissen.

 

Fetter zu grünen

war des Alten Traum!

„Nur was der Augenblick erschafft,

das kann er nützen.“

 

 

 

3.8.


 

Résumé

 

Es hat genügend Synonyme:

Zusammenfassung,

Bilanz, Kassensturz …

 

Ein ganzes Leben

in seiner Rückschau

wie einen Film spulen.

 

Quid quid agis –

prudenter agas

et respice finem!

 

Narzistische Nabelschau

im Dienste inneren Fortschritts –

wohin?

 

Mensch, werde wesentlich!:

Die  res cogitans  -  flüchtig,

die  res extensa  -  modrig!

 

 

 

13.8.


 

Der Flirt

 

Ein Blick?

Ein Augenzwinkern?

Ein Hauch von Sehnsucht?

 

Der Minnesänger

tönt sein schönstes Lied:

ritterliche Erotik!

 

Giotto meinte es ernst

mit seiner Caritas:

sie reicht Jesum

ihr ganzes Herz  -

anatomisch genau!

 

Moderne Romantiker

bieten den linken Vorhof

als blumengeschmückten Patio

zum minniglichen Verweilen.

 

 

 

23.8.


 

Das Notenbuch

 

Für Nannerl?

Für Anna-Magdalena?

Nein: für mich!

 

Ich trage

meine Herztöne ein,

füge Wort-Noten

zur Lebens-Melodie.

 

Sie ist nur

auf der Orgel zu spielen:

mit Händen und Füßen

und allen Registern.

 

Galaktische Klänge,

Hintergrund-Rauschen

musizierender Engel?

 

Der Kosmos schweigt,

das All mißt in Curie,

Haydns „Schöpfung“ erklingt

und Mozarts „Requiem“.

 

 

 

25.8.


 

Mein Atlas

 

Der Atlas meines Wissens

hat viele weiße Seiten!

 

Wenn schon Gott

als große Unbekannte

tief verborgen ist:

 

wie sehr der Mensch,

sein Ebenbild!

 

Alle vermeintlichen Gewißheiten

werden zuschanden!

 

Die große Sinn-Frage

als Theorie über alles

bleibt offen!!

 

Im Atlas nur Skizzen

durchwanderter Landschaft.

 

 

 

27.8.


 

Der Abreiß-Kalender

 

O  dieser Tag-Zähler

als Mahnmal der Vergänglichkeit!

 

Jeden Morgen ein Blatt

wie Herbstlaub oder Sandkorn.

 

Tröstender Sinn-Spruch

als Seelen-Speise?

 

Die Forderung,

sich zu erinnern!:

 

Geburts-  und Todes- Daten

ruhmreicher Menschen.

 

Ereignisse der Geschichte

als Bojen im Fluß der Zeit

zum kurzen Ankern.

 

 

 

6.9.


 

Die Stimmgabel

 

Verstand und Wille –

die Äste der Gabel.

 

Sie geben

in ihren Schwingen

deinen Kammerton.

 

So erfahre und erprobe

in wiederholtem Anschlag

deine Grundstimmung.

 

Ob herrschender Gedanke Hegels,

option fondamentale Bergsons,

Glaubens-Axiom des élan vital

als letzter Grund:

 

du mußt dich entscheiden:

das bin ICH –

so soll es sein,

so will ich sein!

 

 

 

9.9.


 

Das Fundbüro

 

Schon Proust und Marcel

sind auf vielen Seiten

auf der Suche

nach verlorener Zeit.

 

Unwiederbringlich

verschwendete Stunden

kostbaren Lebens.

 

Hinterher

ist man klüger!

 

Was nützt die Reue

über entdeckte Vergeudung

aus eigener Dummheit?!

 

Laß deinen Lebensfilm laufen:

die Erkenntnis ist niederschmetternd:

du findest zu viel!

 

 

 

19.9.


 

Uhren

 

Die biologische: sie tickt:

für Frauen zur Zeugung,

den täglichen Rhythmus.

 

Loewe´s Uhr,

stets bei sich getragen.

Die Uhr der Eichung:

Schwingung des Caesium-Atoms.

 

Werbung mit der Präzision

aller Schweizer Zeitmesser.!

 

Die Uhr auf dem Schirm

vor der Heute-Sendung:

 

der ruckweise Lauf

des Sekunden-Zeigers:

 

meine  Leidensnächte auf Intensiv!

 

Heute mein Taktgeber:

die Elektroden im Herzen.

 

 

 

15.11.


 

Das Zifferblatt

 

So strecke

das Zifferblatt deines Ich

auf die Zeitachse deines Lebens:

 

sie beginnt bei Null:

du warst nicht:

du wurdest!

 

Dein Urknall der Zeugung,

die Geburt ins Licht.

 

Noch hat die Gerade

kein Ende:

der Pfeil nach rechts

gegen unendlich, ewig??

 

Welche Illusion!:

du bist eine Primaten-Episode!!

 

 

 

15.11.


 

Tänze

 

Welche Eleganz und Anmut,

Harmonie der Partner,

Gleichklang von Bewegung

und Choreographie!

 

Sechs Millionen Jahre

trennen uns

vom Onkel Schimpanse.

 

Wiegt sein artistisches Klettern

das Spiel der Tänzer auf?

 

Steht das Pferd höher,

wenn es tänzelnd

die Reiterin trägt?

 

Die Levade der Lippizzaner,

die Hündlein im Zirkus,

die im Manege-Rund posieren!

 

Und alle beklatschen

die Dressur!

 

 

 

15.11.


 

Vier Würfe

 

Der erste:

„ins Dasein geworfen“

in gestelzter Sprache

des Philosophen.

 

„Wie Wasser

von Klippe zu Klippe

geworfen“:

so spricht der Poet.

 

Im Angesichte des Todes

auf sich selbst

zurückgeworfen:

letzte Einsamkeit.

 

Der Spielball „Ich“

gehorcht weder Genen

noch Gesetzen der Welt:

ein Schäuflein Sand …..

 

 

 

17.11.


 

Währungen

 

Der Poet poliert

abgegriffene Wortmünzen

der Alltags-Sprache,

schenkt neuen Wert!

 

Sie werden Devisen

zur Währung über Grenzen.

 

Von den Wiesen blauer Blumen,

vom Land der Träume

und blühender Zitronen,

gar im Geigenhimmel.

 

Die Seele spannt die Flügel

und zahlt den Obolus.

 

 

 

10.12.

 


 

Frost

 

Wenn dir

lautloses Tänzeln

fallenden Laubes

im zarten Säuseln

luftiger Brise

nicht

in den Ohren dröhnt –

 

jedes sterbende Blatt

als Donnerwort der Ewigkeit

wie ein Stich der Espada

nicht

dein Herze trifft –

 

dann

sind nicht nur

deine Augen blind –

 

dann

bist du schon erfroren.

 

 

 

11.12.


 

Der Hall-Raum

 

In den Hall-Raum der Poesie

rufen Dichter

ihre Urworte.

 

Wir hören die Echos

nah oder fern.

 

Das Alphorn hoch auf´m Berg

oder tief im Tal –

grüßt viel 1000 mal!

 

Ob Zephire Liebesworte säuseln,

Stürme Donnerworte brausen:

 

es  kräuseln die Lebenswasser –

im Brunnen der Erinnerung,

in der Herzkammern Tiefen.

 

Die Seele :  geist – durch – weht.

 

 

 

23.12.


 

Kumano Kodo

 

Ob in Japan auf Kii

auf Pilgerpfaden

von einem heiligen Schrein

zum nächsten steigen:

 

Ob in Europa

der Weg belebten Brauchs

nach Compostela:

 

im Wallfahrten

die Hoffnung auf Seelenheil.

 

Ob Seume nach Syrakus

in Gesellen-Manier

auf Kultur-Walz marschiert:

 

Ob Shinto, Buddha, Christ:

„…und wandern ohne Ruh´

der ewigen Heimat zu…“

 

 

 

23.12.


 

Grautöne

 

Man sagt, Eskimos

hätten ein gutes Gespür

für Schattierungen von Weiß

und in ihrer Sprache

zahlreiche Worte dafür.

 

Heute –

in bizarrrem Wolkenbild

auf meinem Olymp

ist der Himmel

tief verhangen

Grau in Grau.

 

Es ist ein Grauen

von so viel Grau!

 

Doch der Azurne

wird wieder blauen!

 

 

 

6.1.13


 

Die Schmiede

 

Die mächtige Zeit

schwingt den Hammer

zu Schicksals-Schlägen.

 

Wir sind

das glühende Eisenstück

an packender Zange.

 

Auf den Amboß des Tages gelegt,

erwarten wir

die formende Wucht.

 

Wir sind

Werkstück und Schmied:

sein freier Wille

wirkt Reife und Gestalt.

 

 

 

8.1.


 

Der Schwarzfahrer

 

Schon ohne Billett

durch den Geburtskanal

der Mutter gepreßt!

 

Als Erdenbewohner Tag für Tag

die Drehung des Globus

1000e  km auf dem 50.Grad.

 

Schließlich nach Keplers Gesetz

auf elliptischer Bahn

jahrweis um die Sonn´!

 

Und die ganze Galaxie?

Frei schwebend im All

oder in Bewegung  -  wohin?

 

Kein knipsender Schaffner.

Nur der Tod schmeißt uns

in den Sternen-Staub zurück.

 

 

 

21.1.


 

Unsterblichkeit

 

Mumie in Ägypten?

Wachsfigur bei Mme Tussot?

Notiert im „Who is who“?

 

Aufgezeichnet

im Buche des Lebens,

der Universal-Akte

fürs Jüngste Gericht.

 

Eine Karteikarte

in einer Bibliothek?

Ein Link im w.w.web?

 

Der archetypische Traum

vom ewigen Leben!

 

Weiterleben in Genen der Enkel,

in Erinnern der Freunde –

und dann  ….

 

 

 

1.2.


 

Der Überschuß

 

Wenn der Kampf ums Dasein

alle Energien bindet –

bleibt kein Überschuß.

 

Zu oft das Gegenteil:

hungernde Mutter

mit ausgelaugter Brust

hält ihr sterbendes Kind.

 

Aber:

aus dem MEHR

werden Kultur und Luxus,

Werke, Monumente und Genuß.

 

Ist der Hunger gestillt,

werden schöpferische Kräfte frei :

der Genius schafft!

 

Aber:

„…auch das Schöne muß sterben,

das Menschen und Götter bezwinget.“

 

 

 

1.2.


 

Eine Minute

 

Hast du

heute schon gestaunt,

dich tief verwundert?

 

Hast du

heute schon nach-gedacht –

über dich und alles?

 

Hast du

heute schon gedankt

für Dasein und gelebte Jahre?

 

Du hattest

gestern 1440 Minuten.

 

Ich habe gerade

eine Minute lang

gedacht.

 

 

 

5.2.


 

Mönche

 

Schwarz –

dreht sich im Grabe,

weil durch sein Pulver

so viele Leben zerstört?

 

Mendel –

der geduldige Erbsenzähler:

tausende Kreuzungen

bis zum Erb-Gesetz.

 

Unser Genetik-Wissen

würd´  ihn jubeln lassen!

 

Mersenne –

der Primzähler ohne Computer.

Zwei Potenzen minus eins.

Die bisher größte nun entdeckt:

 

2  hoch  57.885.161  hat 17 Mio Stellen.

Wen juckt es?

 

 

 

8.2.


 

Nekrolog

 

Die übliche Speisekarte

liest sich

wie ein Nekrolog

auf einige TIERE:

 

jedenfalls dürfen sie –

fein gewürzt –

mit oder ohne Sauce –

im Magen-Sarg verdaut werden.

 

Schnecken und Frösche

à  l´alsacienne, coque au vin, Poularde,

bayrisches Hendl oder Spanferkel,

Lammkeule, Rehbraten …

 

WIR  werden in Klamotten

statt einer Verdauung

der Verstaubung überlassen.

 

 

 

14.2.


 

Das Schaf

 

An den Pflock

von Raum und Zeit

mit dem Seil Ratio

zum Äsen gebunden,

weide ich meine Welt ab.

 

Herbe Gräser,

wohlschmeckende Kräuter,

das Auge erfreuen bunte Blumen.

 

Ich drehe meine Runden,

dem Esel des Fellachen gleich

an seinem Brunnen.

 

Friede und Licht

in der Lust der Erkenntnis!

 

 

 

25.2.


 

Fanale

 

Regenbogen – biblisch:

Jahwe´s Bund mit Noah.

 

Gewitter:

Blitze schleudernde Götter

mit drohendem Donner:

Baal, Zeus, Wotan,…

 

Gewitter über Rom,

Blitze über dem Dom:

ein Papst wagt den Rücktritt!

 

Meteorit in Rußland

mit großem Einschlag.

Der Asteroid flog vorbei:

davon-gekommen!

 

Welche Botschaft aus dem All

bringen die Virginiden,

Hydriaden und Leoniden?

 

Alles schnuppe??

 

 

 

27.2.


 

Der Nager

 

Biber, Ratte, Maus?

Mitnichten!

Nur ein Zahn –

der  ZEIT.

 

ER nagt und nagt

und nagt:

 

trägt als Erosion

ganze Gebirge ab;

Ägyptens Pyramiden

werden auch nicht verschont.

 

Fototechnik lügt

dank Zeitraffer und slow motion.

 

Wir selbst die Opfer:

Telomerase nagt in jeder Zelle

am Chromosomen-Ende.

 

LEBEN –

als Sein zum  TODE !

 

 

 

10.3.


 

Rauchzeichen

 

Indianische Tele-Kommunikation

bei Karl May gelernt.

 

Schwarz oder Weiß?

„Habemus Papam!“

 

Wo Rauch ist,

muß wohl ein Feuer sein!

 

Haben pfingstliche Zungen

geistliche Funken gesprüht?

 

Heilige Feuer –

von Vestalinnen fromm gehütet.

 

Brennendes Scheit in Yazd

in Zoroasters Tempel!

 

Rauch-Opfer den Göttern,

Weih-Rauch übers Volk!

 

Das Höllen-Feuer brenne ewig!

Rauch-Zeichen nicht gesichtet!

 

 

 

17.3.


 [A1],,

 [A2]

 [A3]

 [A4]

 [A5]